Angespielt „Starfield“ spielt sich wie „Fallout“ im Weltraum
Im sehr vollen Spielejahr 2023 will sich „Starfield“ stark positionieren. Das Weltraum-Rollenspiel macht vieles richtig. Aber braucht man wirklich 1000 Planeten für ein gutes Spiel?
Berlin - Wer bei „Starfield“ von einem großen Spiel spricht, untertreibt. 1000 Planeten sollen Spielende im neuen Rollenspiel vom „Fallout“- und „The Elder Scrolls“-Studio Bethesda besuchen können. Doch wer mit einer offenen, nahtlosen Galaxie rechnet, wird enttäuscht.
Das Game beginnt gemächlich. Die Hauptfigur startet in einen neuen Job in einer Weltraummine. Mit einem Laser baut man wertvolle Metalle ab, bis die Vorarbeiterin ruft. Bei einem Wand-Durchbruch wird man vorgeschickt in eine Höhle, in der kleine Metallwürfel in der Luft schweben. In der Mitte steckt, von Fels umschlossen, ein gebogenes Metall-Artefakt. Dieses wird freigelegt. Und dann, beim Berühren des Artefakts beginnt auf einmal eine Art Vision: Lichter, Galaxien, Musik.
Interstellare Artefakte finden
Dieses Erlebnis setzt die Hauptgeschichte von „Starfield“ in Gang. Das Artefakt wird an die Abenteurer-Forschergruppe „Constellation“ weitergereicht. Und weil auch die Vision Teil des Rätsels um das Artefakt ist, wird man von der Gruppe direkt als Mitglied aufgenommen. Ausgestattet mit einem Raumschiff geht es dann auf die Jagd nach weiteren Teilen des Artefakts.
Zunächst. Denn in der Galaxie warten nicht nur allerhand Planeten, sondern auch etliche Nebenaufgaben. Während die Hauptgeschichte in rund 20 Stunden erledigt ist, warten beispielsweise noch Aufgaben von diversen Fraktionen, unerforschte Planeten, verlassene Raumstationen und viel, viel, viel mehr. Wer alles gesehen und erledigt haben will, muss laut „Howlongtobeat.com“ mit über 200 Stunden Spielzeit rechnen.
Rollenspiel-Charakter selbst gestalten
Wie bei Rollenspielen üblich lässt sich vieles in „Starfield“ an den eigenen Spielstil anpassen. Das geht beim eigenen Charakter los, der sich inklusive Aussehen, Hintergrund, Talenten und Geschlecht - männlich, weiblich und nonbinär - frei gestalten lässt.
Die Talente werden dann beim Spielen verbessert. Mit Erfahrungspunkten steigert man seine Stufe, mit neuen Stufen kann man weitere Talente freischalten. Werden diese Talente genutzt, knackt man etwa erfolgreich ein Schloss, verbessert sich das Talent und man kann neue Stufen freischalten.
Gekämpft wird in „Starfield“ hauptsächlich mit Handfeuerwaffen, die man in der Welt oder von erledigten Gegnern bekommt. Die Waffen haben bestimmte Werte und Eigenschaften und können mit Mods verbessert werden. Auch Nahkampf ist möglich, aber etwas umständlich.
Reden statt kämpfen
Mit den richtigen Talenten lassen sich harte Feuergefechte aber vermeiden. Eine der ersten Missionen schickt die Hauptfigur zu einer verlassenen Forschungsbasis, wo sich Piraten niedergelassen haben.
Nach einiger Ballerei trifft man dort auf den Anführer der Truppe. Ihn kann man in einem Dialog überzeugen, die Verfolgung aufzugeben. Hierbei kann man mit den richtigen Dialogoptionen Punkte sammeln: Mehr Punkte gibt es für Manöver, die leichter scheitern können. Das System macht Spaß. Und wenn der Versuch scheitert, müssen eben doch die Waffen sprechen.
Und das passiert in „Starfield“ insgesamt sehr häufig. Das Spiel verlässt sich vor allem zu Beginn oft darauf, dass die Gameplay-Schleife „Reingehen, Bösewichte umnieten, wertvolle Dinge einsammeln“ irgendwie genügt. Man sollte hier nicht mit der Erwartung von innovativen Gameplay-Mechaniken oder gar einem kompletten Umkrempeln des Sci-Fi-Rollenspiel-Genres herangehen.
Im Gegenteil. In manchen Bereichen hängt das Spiel der Zeit sogar hinterher, was auch mit den laut Bethesda rund acht Jahren Entwicklungszeit zu tun haben könnte. Denn die Galaxie in „Starfield“ ist kein komplett offenes Universum, sondern in viele einzelne Bereiche unterteilt.
Ladebildschirm, Weltraum, Ladebildschirm
Das merkt man vor allem beim interplanetaren Reisen, das mehr einer Aneinanderreihung von als Videosequenzen getarnten Ladebildschirmen gleicht als echtem Weltraum-Feeling: ins Raumschiff einsteigen, Ladebildschirm, ins Cockpit setzen, Ladebildschirm, Start auswählen, Abhebe-Video, im Weltraum schweben, Karte öffnen, Planet auswählen, Schnellreisen, Ladebildschirm. Irgendwann findet man heraus, dass man über die Karte auch direkt von einem Ort auf einem Planeten zu einem anderen reisen kann, was das Raumschiff zum Teil überflüssig macht.
Ein nahtloses Landen auf dem und Abheben vom Planeten wie etwa in „No Man's Sky“ gibt es nicht. Auf Himmelskörpern kann man lediglich interessante Punkte auswählen, an denen man landet. Viele dieser Punkte sind prozedural generiert und meist eher uninteressant. Auch beim Betreten von Gebäuden oder Raumstationen wird das Spiel oft erstmal unterbrochen. Dadurch fühlt sich das eigentlich riesige Spiel ungewöhnlich klein an.
Keine Karte von New Atlantis
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Karten auf den Planeten. Sie zeigen eine sehr grobe Oberfläche und interessante Orte - aber Wege dazwischen, genaues Terrain oder Gebäude fehlen komplett. Auf prozedural generierten Planeten ist das vielleicht nachvollziehbar, bei händisch erstellten Orten wie den Städten Neon oder New Atlantis nicht. Immerhin: Mit einem Scanner sieht man Pfeile auf dem Boden, die zum nächsten Wegpunkt leiten.
Hier und da wünscht man sich auch „Quality of Life“-Verbesserungen für Systeme, die schlicht nerven. So ist gerade zu Beginn das Limit der Gegenstände, die man tragen kann, recht gering. Überladen kann der Charakter nur noch langsam laufen und nicht mehr Schnellreisen. Das Inventar-Management und viele weitere Dinge liegen auch hinter etlichen Menü-Oberflächen, durch die man sich mühsam klicken muss. Das machen andere Rollenspiele übersichtlicher und intuitiver.
„Starfield“ mit Startschwierigkeiten
In den ersten rund zehn bis 15 Stunden tut sich das Spiel dementsprechend auch schwer, wirklich zum Weiterspielen zu motivieren. Viele der Charaktere sind eher dröge, die Hauptstory zieht nicht genug an, das Spielen wird immer wieder durch Menüs und Ladebildschirme unterbrochen.
Negativ-Höhepunkt der ersten Stunden ist ein Missionsabschnitt, in dem man in seinem Raumschiff bei niedrigem Energielevel mehrere Minuten lang einfach nur geradeaus fliegen muss. Das Spiel möchte hier beibringen, wie man im Weltraum „schleicht“ - auf die uninteressanteste Weise, die man sich vorstellen kann.
Das ist viel Kritik für ein Spiel, das gleichzeitig auch sehr viel richtig macht. „Starfield“ sieht beeindruckend aus und hört sich fantastisch an. Spielende können ihr Schiff sehr kreativ selbst gestalten und Basen auf Planeten bauen. Es gibt abseits der Hauptstory viele Möglichkeiten für echtes Rollenspiel und individuelle Entscheidungen.
Lieber 50 lebendige Planeten
Vielleicht hätte es aber auch ein etwas kleinerer, zielgerichteterer Umfang getan. Vielleicht nur 50 lebendige Planeten statt 1000, von denen die meisten tot sind. Vielleicht weniger Menüs und mehr Freiheit beim Reisen und Erkunden.
Im Kern spielt sich „Starfield“ sehr wie „Fallout“ oder „Skyrim“, nur mit neuem Setting, das sich in seinen Inspirationen sehr bei anderen Science-Fiction-Welten anlehnt - beispielsweise „Interstellar“, „Blade Runner“, „2001“, „Firefly“ oder „Alien“. Wem das genügt, kann bei „Starfield“ zugreifen.
„Starfield“ ist ab 16 Jahren freigegeben, für PC und Xbox Series X/S erschienen und kostet ab 70 Euro. Es ist ohne Zusatzkosten im Xbox Game Pass spielbar.