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Pi-Memorieren Susanne Hippauf peilt neuen Gedächtnis-Rekord an

In Zeiten, in denen kaum jemand noch zwei Telefonnummern auswendig weiß, sticht eine junge Frau aus Offenbach besonders heraus: Sie kann sich Tausende Zahlen merken. Gerade trainiert sie für den nächsten Rekord. Dabei helfen ihr Angela Merkel, Donald Trump und ihre Oma.

Von Isabell Scheuplein (Text) und Arne Dedert (Foto), dpa 04.11.2018, 09:52

Offenbach (dpa) - Zahlen, seitenweise Zahlen. Susanne Hippauf blättert in ihrem Übungsblock, auf dem sie Tausende Nachkommastellen der Kreiszahl Pi notiert hat.

Mehr als 11.000 davon sind im Gedächtnis der Polizistin gespeichert. Keine andere Frau kann sich laut der Weltrangliste derzeit einen größeren Abschnitt der auf Billionen Stellen errechneten Reihenfolge merken. Und es sollen noch viel mehr werden. Die Offenbacherin bereitet sich darauf vor, den deutschen Meistertitel zurückzuerobern, den ihr erst vor wenigen Wochen ein männlicher Konkurrent aus Nordrhein-Westfalen abgenommen hat.

"Ich konnte mir schon immer gut Zahlen merken", sagt Hippauf, die als Oberkommissarin beim Polizeipräsidium in Frankfurt arbeitet. Die Idee zu dem ungewöhnlichen Hobby entstand vor etwa drei Jahren bei einem internen Bewerbungsverfahren: "Da war auch ein Gedächtnistest dabei, und ich wollte mich vorbereiten." Die Polizistin merkte schnell, dass sie in Sachen Gedächtnis ein besonderes Talent hat, und es packte sie der Ehrgeiz: "Ich wollte testen, was ein Gehirn leisten kann."

Bei ihrer ersten Meisterschaft im Mai 2016 errang sie prompt den süddeutschen Vize-Titel. Im März 2018 stellte die 37-Jährige dann bei einer Meisterschaft in Emden einen deutschen Rekord auf. Fünfeinhalb Stunden lang schrieb sie genau 11.104 Nachkommastellen der mit 3,14 beginnenden Zahl Pi auf.

Um sich die zu merken, hat Hippauf die Zahlen von 0 bis 99 auf 100 Menschen verteilt. Darunter sind etwa Prominente, die in einem bestimmten Jahr geboren sind, wie Bela B. von der Band Die Ärzte, der so die "62" erhielt. Die Personen postiert sie an einer Strecke, die sie sich ausdenkt. So prägt sich die 37-Jährige eine Reise von Ort zu Ort und Mensch zu Mensch ein. Beim Pi-Memorieren, wie ihr Hobby auch heißt, geht sie dann im Geist den Weg ab.

"Das macht einfach total viel Spaß", sagt die Polizistin. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump helfen ihr so beim Lernen. Auch Fußballspieler und ihre Oma sind dabei. Ein Abschnitt der fantasievollen Gedankenreise lautet beispielsweise: "Angela Merkel sonnt sich am Strand vor Kapstadt, während meine Oma ins Wasser rennt und Bastian Schweinsteiger einen Kopfsprung macht."

Wenn sie auf Reisen sei, denke sie immer an ihre Gedächtnisrouten, erzählt die 37-Jährige. Mithilfe dieser sogenannten Loci-Technik - "loci" auf Lateinisch bedeutet "Orte" - lassen sich Inhalte auswendig lernen und merken. Mit ihrer Hilfe sollen sich schon Redner in der griechischen Antike ihren Text eingeprägt haben.

Um sich den deutschen Rekord zurückzuholen, der seit Mitte September bei 15.320 Nachkommastellen liegt, will Susanne Hippauf jetzt bis zur Marke von 20.000 vordringen. Zum offiziellen Weltrekord ist allerdings auch dann noch Luft nach oben: Er steht bei mehr als 70.000 Nachkommastellen und wird von einem Mann aus Indien gehalten - der ausweislich der Weltrangliste im Jahr 2015 mehr als 17 Stunden zum Aufzählen brauchte.

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