Zu große Dosis kann abführend wirken / Bei Kindernahrung nicht als Zuckererstaz verwenden Süßstoff-Nutzen bleibt umstritten
Viele Menschen mit Figurproblemen greifen zu Light-Produkten, in der Hoffnung durch den darin enthaltenen Zuckerersatz Kalorien einzusparen. Doch kann man so wirklich abnehmen ? Sind Süßstoffe überhaupt sinnvoll ?
Bonn / Göttingen ( ddp ). Diese Fragen konnten selbst Ernährungswissenschaftler noch nicht abschließend klären. Während die Deutsche Gesellschaft für Ernährung einen Süßstoff vor allem bei Erfrischungsgetränken für sinnvoll erachtet, um im Rahmen einer Diät Kalorien einzusparen, hält es beispielsweise der Ernährungspsychologe Thomas Ellrott von der Universität Göttingen für besser, in Maßen natürlich zu süßen, da künstliche Süßstoffe den Stoffwechsel verwirren könnten. Bei manchen Personen führe dies sogar zu Heißhungerattacken und Essanfällen.
" Wenn man Gewicht halten oder reduzieren möchte, macht Süßstoff vor allem bei Limonaden und Erfrischungsgetränken Sinn, weil man hier viel Energie einsparen kann ", erklärt Antje Gahl, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ( DGE ) in Bonn. Bei einem halben Liter seien das bis zu 300 Kilokalorien. Bei Joghurts mit Süßstoff falle die Einsparung allerdings geringer aus. Einen Freibrief, literweise kalorienreduzierte Limonade zu trinken, gebe die DGE jedoch nicht – es gehe um den Konsum in Maßen : " Als Durstlöscher ist noch immer Mineralwasser am besten ", stellt Gahl fest. Süßstoffe sollten außerdem nicht zusätzlich zu Zucker verwendet werden.
Begrenzt und bewusst
Wichtig ist laut Gahl die Dosierung : Nimmt man zu viel zu sich, könne Süßstoff stark abführend wirken. Der sogenannte ADI-Wert gibt an, wie viel Milligramm eines Süßstoffes problemlos pro Kilogramm Körpergewicht täglich aufgenommen werden können. So dürfen es beispielsweise beim Süßstoff Cyclamat nach Angaben der DGE bis zu sieben Milligramm pro Kilo Körpergewicht sein, bei Saccharin sind es bis zu fünf. Ein 80-Kilo-Mann beispielsweise erreicht die Maximaldosis Aspartam, wenn er täglich etwa fünf Liter einer mit diesem Süßstoff versetzten Limonade trinkt. Von einem Cyclamat-haltigen Erfrischungsgetränk dürfte er 1, 4 Liter und einer Limo mit Saccharin fünf Liter täglich zu sich nehmen.
Generell sei für eine gesunde Ernährung durchaus der moderate Konsum von Zucker ratsam – in Form von normalem Haushaltszucker oder Honig, sagt Antje Gahl. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht den täglichen Zuckerbedarf – abgesehen vom natürlichen Zuckergehalt in Lebensmitteln – bei zehn Prozent des Energiebedarfs : bei Frauen etwa 50 Gramm, bei Männern 62, 5 Gramm. Die Wahl zwischen Honig und Zucker sei dann eher eine Geschmacksfrage, erläutert Gahl, denn Honig sei unter dem Strich nicht besser als Zucker. Die geringen Anteile an Enzymen oder Mineralstoffen im Honig seien ernährungsphysiologisch zu vernachlässigen. Sich die Lust nach Süßem abzutrainieren, sei kaum möglich, weil das Verlangen danach angeboren sei : " Irgendwann bekommt man Lust nach Süßem und dann ist es besser, ihr in gewisser Weise nachzugeben – aber begrenzt und bewusst ", rät die Ernährungsexpertin.
Wie genau sich Süßstoffe auf das Essverhalten beim Menschen auswirken, ist ein Streitpunkt unter Wissenschaftlern. " Süßstoffe werden in der Tiermast eingesetzt, damit die Tiere mehr fressen und schneller zunehmen ", berichtet der Göttinger Mediziner und Ernährungspsychologe Thomas Ellrott. Wie Süßstoffe beim Menschen wirken, sei nicht hinreichend bekannt.
Klar sei, dass sie den Geschmack des Energieträgers Zucker imitierten, ohne selbst nennenswerte Energie zu liefern. " Ab der Geburt lernen wir, dass der süße Geschmack zuckerhaltiger Lebensmittel mit einem nachfolgenden Einstrom von Energie in Form von Traubenzucker in das Blut verkoppelt ist ", erklärt der Mediziner. Damit diese Energie aus dem Blut in jede einzelne Körperzelle gelangen kann, produziere die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin. So sei der Anstieg des Blutzucker- und Insulinspiegels nach dem Verzehr von Kohlenhydraten – zu denen auch Zucker gehört – für eine Sättigung verantwortlich. Wird der Körper – ohne dass wir es wissen – mit Süßstoff versorgt statt mit Zucker, wird ebenfalls Insulin ausgeschüttet. Da aber nach dem Süßstoffverzehr keine relevante Traubenzuckeraufnahme vom Darm ins Blut erfolge, sinke der BlutzuckerspiegelsogarunterdenAusgangswert ab, erklärt Ellrott : " Das kann zu noch stärkerem Hunger führen oder sogar regelrechte Essanfälle auslösen. " Das Problem : Der Körper habe sich durch das geschmackliche Süß-Signal bereits auf eine Energiebereitstellung vorbereitet, die aber durch Süßstoffe nicht erfolge. " Süßstoffe verwirren sozusagen die gelernte Koppelung aus Süßgeschmack und nachfolgender Energiebereitstellung ", erklärt er.
Aber nicht alle Menschen reagierten so auf Süßstoff, schränkt der Ernährungspsychologe ein. Das Ausmaß der geschilderten Wirkung unterscheide sich von Mensch zu Mensch. Bei manchen setze der geschilderte Mechanismus nicht ein, wenn sie wüssten, dass sie Süßstoff zu sich nehmen. Der Körper erwarte dann keinen Energiestrom, der Anstieg des Insulinspiegels sei laut Ellrott geringer. Damit sinke der Blutzuckerspiegel weniger stark.