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Wenn die Bundeskanzlerin zur Namenspatin wird

Kanzlerin und Gottessohn als Namenspatron: Christ Merkel - so nannte eine Mutter in Brandenburg ihren Sohn. Ungewöhnliche Namen sind keine Seltenheit mehr in Deutschland. Was sagen die Behörden dazu?

Von Charlotte Gerling, dpa 04.12.2015, 07:17

Eberswalde (dpa) - Auf den Schultern des kleinen Babys ruhen schier unerfüllbare Erwartungen: Christ Merkel heißt der drei Wochen alte Sohn einer Kamerunerin im brandenburgischen Eberswalde.

Wenn er groß sei, solle er genauso vielen Menschen helfen wie Kanzlerin Angela Merkel und Jesus Christus, sagt die 32-jährige Georgette Mbaha der Märkischen Oderzeitung.

Ganz neu ist diese Art von Verehrung nicht, aber in Deutschland höchst selten. Vor einigen Monaten hatte eine ghanaische Asylbewerberin in Hannover ihrer Tochter den Vornamen Angela Merkel gegeben. Vollständig heißt das Kind Angela Merkel Adé.

Kinder nach Vorbildern zu benennen, sei in vielen Kulturen üblich, sagt Gabriele Rodríguez, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Namenkundlichen Zentrum der Universität Leipzig - auch in Deutschland: Das sind vor allem die Vornamen von Familienmitgliedern. Heute bringen die Medien aber auch andere Vorbilder aus Film, Fernsehen, Musik und Sport zu uns, erläutert Rodríguez. Nach Fußball-Großereignissen wie Welt- oder Europameisterschaften seien auch bei deutschen Eltern Namen wie Ronaldinho oder Figo beliebt. Politiker spielten aber kaum eine Rolle.

In vielen afrikanischen Sprachen und Kulturen sei es sogar üblich, Kinder nach Geschehnissen während oder vor der Geburt zu benennen. Das Neugeborene kann zum Beispiel Das Kind ist geboren während der Vater auf dem Markt war heißen, erklärt Rodríguez. Auch religiöse Bezüge, die sich in Namen wie Gottesgeschenk äußerten, kämen häufig vor. Glaube spielt in Afrika bei der Namensgebung eine größere Rolle als in Deutschland. Auch Vorbilder seien dabei wichtiger. So gebe es etwa Kinder, die Obama hießen. Meist sei das Namensvorbild aber ein Mensch, mit dem die Familie eng verbunden sei.

Doch in Deutschland ist längst nicht alles erlaubt, was Eltern gefällt: Standesbeamte entscheiden nach eigenem Ermessen darüber, ob sie einen Vornamen zulassen. Dabei orientieren sie sich daran, ob ein Name Vornamenscharakter hat, das Geschlecht eindeutig benennt und das Wohl des Kindes nicht beeinträchtigt.

Die Richtlinien würden aber mit der Zeit weniger streng: Es gibt keine neuen rechtlichen Regelungen. Standesbeamte und Gerichte legen die bestehenden Richtlinien aber großzügiger aus als noch vor zehn oder zwanzig Jahren, sagt Jürgen Rast, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten. Mit ein Grund dafür sei, dass Migranten ihren Kindern gerne ausländische Vornamen geben würden, so dass sie in Deutschland gebräuchlicher würden - mit Bestätigung vom Standesamt.

Auch wenn sie die Sprache des Herkunftlandes zu Hause nicht sprechen, wollen Eltern ihren Kindern die Kultur über Vornamen vermitteln, erläutert Rodriguez. Die Anfragen nach Gutachten von Standesbeamten und Richtern seien seit 1994 von 100 jährlich auf 2000 bis 3000 im vergangenen Jahr gestiegen. Derzeit würde das Institut in Leipzig fast einmal in der Woche einen Vornamen bestätigen, den es vorher in Deutschland offiziell nicht gegeben hat.

Der Vorname Christ Merkel dürfte für deutsche Behörden allerdings ohnehin kein Problem darstellen: Beide Namen stehen in den Verzeichnissen der Standesämter, sagt Rodríguez. Christ war im Mittelalter ein gebräuchlicher Vorname. Und Merkel ist eine altdeutsche Koseform für Namen, die mit Mark- oder Merk- beginnen, etwa Markward.