1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Arbeitgeber lehnt Kündigung ab

Arbeitsrecht Arbeitgeber lehnt Kündigung ab

Schon sehr lange ist ein Altmärker schwer krank. Auch die berufliche wie finanzielle Perspektive bereiten ihm Sorgen.

Von Gudrun Oelze 31.01.2016, 23:01

Gardelegen l Seinen Beruf wird der 55-Jährige wohl nie wieder ausüben können, obwohl er offiziell nach wie vor bei seinem bisherigen Unternehmen beschäftigt ist. Noch erhält er Arbeitslosengeld I, aber was kommt danach?

Der Arbeitgeber lehnt die von dem kranken und behinderten Mann gewünschte Kündigung ab, auch einen Aufhebungsvertrag. „Wo steht eindeutig geschrieben, dass der Arbeitgeber mich unter diesen Umständen nicht zu kündigen braucht?“, fragt er und auch, warum er seinen Urlaub aus den Jahren 2014 und 2015 nicht bezahlt bekommt. Er konnte ihn wegen der fortwährenden Krankschreibung nicht in Anspruch nehmen, doch der Arbeitgeber lehne eine finanzielle Abgeltung ab. Gibt es dafür eine rechtliche Basis?

Kompetente Antwort auf diese Fragen erhielten wir von der Gardelegener Rechtsanwältin Romy Gille. Der Arbeitgeber könne tatsächlich selbst entscheiden, ob und wann er sein sogenanntes Gestaltungsrecht in Form einer Kündigung ausübt, bestätigte sie. Dies sei Ausdruck der Privatautonomie. Eine Verpflichtung zur Kündigung oder gar ein Anspruch darauf bestehen ebenso wenig wie für einen Aufhebungsvertrag. Doch könne der Arbeitnehmer unabhängig davon selbst kündigen, wenn er den Vertrag nicht fortführen möchte.

Bei einem dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber auf sein Direktionsrecht, also das Weisungsrecht, verzichten. „Dies führt quasi zur Arbeitslosigkeit trotz bestehenden Arbeitsvertrags“, erläutert Rechtsanwältin Gille. Der Arbeitnehmer könne dann bei der Arbeitsagentur Leistungen beantragen, wenn er nicht anderweitig für seinen Lebensunterhalt inklusive Kranken- und Rentenversicherung sorgen kann. Diese Variante sei aber nur sinnvoll, wenn Aussicht auf Genesung besteht.

Was die Urlaubsabgeltung anbelangt, verweist die Arbeitsrechtsexpertin zunächst auf das Bundesurlaubsgesetz. Das darin verankerte deutsche Recht zum Erholungsurlaub sieht vor, dass der Urlaub grundsätzlich im laufenden Jahr zu nehmen ist.

Nur wenn dies aus bestimmten Gründen nicht möglich war, bestehe die Möglichkeit, in den ersten drei Monaten des neuen Jahres alten Urlaub zu nehmen. „Danach verfällt er“, so Romy Gille – nicht jedoch auch automatisch bei Langzeitkranken. Denn bei ihnen stehe die recht strenge deutsche Vorschrift nicht im Einklang mit EU-Recht. „Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die kurze Verfallsregel des Bundesurlaubsgesetzes keine Anwendung findet, wenn der Urlaub krankheitsbedingt nicht genommen werden konnte“, betont die Rechtsanwältin. „Dies bedeutet, dass der Urlaub länger abgegolten werden muss, wenn es zur Beendigung des Arbeitsvertrages kommt.“

Der Urlaub ist zum Beispiel auszuzahlen, wenn jetzt ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer wie unser Leser bis zum 31. März 2016 seinen Arbeitsvertrag beendet oder der Arbeitgeber bis zu diesem Datum das Arbeitsverhältnis kündigt oder sich beide auf eine Beendigung durch Aufhebungsvertrag einigen.

„Dann kann der Arbeitnehmer die Abgeltung des Urlaubs nicht nur für 2015, sondern auch für 2014 verlangen, da er diesen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ja nicht mehr in natura nehmen kann“, erläutert Rechtsanwältin Gille. Allerdings können tarifvertragliche Regelungen davon abweichen.