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Leseranwalt Von der Kunst, einen Witz zu platzieren

Der 11-jährige Paul geht nach der Schule oft zu seinem Opa. Da schaut er sich die Kinderecke "Pusteblume" in der Volksstimme an.

Von Peter Wendt 25.11.2019, 00:01

Magdeburg l „Opa, was ist ,malochen‘“, fragt er neulich seinen Großvater. „,Malochen‘ sagt man“, antwortet der Opa, „wenn jemand schwer arbeiten muss.“ Und Paul fragt weiter. „Was heißt: ,Man müsste noch mal zwanzig sein‘“, will er noch wissen. Der Opa seufzt: „Ach, weißt du, das sagt man so, wenn man älter wird und die Knochen anfangen, weh zu tun, wenn du Schmerzen im Knie hast oder der Rücken zwickt. Dann wünschst du dir, noch mal jung zu sein“, gab der Opa geduldig Auskunft. „Doch warum willst du das wissen?“, fragt er den Enkel.

„Das steht hier in der Zeitung“, antwortet Paul und liest vor: „Zwei Rentner sitzen auf einer Bank, als eine junge, attraktive Frau vorbeigeht. Seufzt der erste: ,Jetzt müsste man noch mal 20 sein!‘ Darauf der zweite: ,Bist du verrückt, für die paar Minuten noch mal 45 Jahre malochen!‘“

Kein Witz!, der Witz stand wirklich in der Kinderecke der Zeitung.

Augenscheinlich will nicht nur einen Witz erzählen gekonnt sein, sondern auch einen Witz platzieren. Insofern muss man unserem Leser Siegfried König aus Tangermünde recht geben, der meinte, einen solchen Witz „sollte man keinem Kind zumuten“. Abgesehen davon, dass der Witz auch schon „sooo ’nen Bart hat“, wie Herr König noch anmerkte, dass er wohl selbst auf einer Senioren-Seite eher ein müdes Lächeln hervorgerufen würde.

Paul gibt sich mit Opas Antworten zufrieden. Was sich hinter „die paar Minuten“ verbirgt, hinterfragt er nicht mehr – der Opa ist froh darob.

Klar, Witze sind eine Wissenschaft für sich. (Die Feststellung soll nicht die unglückliche Platzierung des Rentner-Witzes in der Kinderecke rechtfertigen.) Dichter und Philosophen haben sich mit dem Witz als solchem und der Vielfalt seiner Erscheinung und Wirkung beschäftigt. Am Ende aber zählt allein, dass der Leser durch die Pointe zum Lachen gebracht wird. Dass dies hier bei Paul und Gleichaltrigen gelungen ist, darf getrost bezweifelt werden.