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Leserobmann Ein bedauerlicher Informationsverlust

Leser kritisieren immer wieder Kriminalitätsberichterstattung. In einem Fall wurde die Herkunft eines Täters nicht absichtlich verschwiegen.

28.05.2017, 23:01

Gegen eine pauschale Kritik an der Kriminalitätsberichterstattung der Volksstimme, insbesondere gegen den Vorwurf, wir würden Zuwandererkriminalität „verharmlosen und weitestgehend negieren“, hatte ich mich am vergangenen Montag an dieser Stelle gewehrt.

Pikanterweise berichtete die Volksstimme am selben Tag über gewalttätige Übergriffe auf dem Bernburger Stadtfest. „Im Gegensatz zum Mitteldeutschen Rundfunk sagt die Volksstimme hier aber nicht, dass der 19-Jährige ein Asylbewerber ist“, kritisierte ein Leser unter Verweis auf meinen Text.

Die Kritik war berechtigt. In der Volksstimme war zu lesen: „Der 19-Jährige soll zuvor zwei Mädchen (13, 15) sexuell belästigt haben.“ Beim MDR hieß es hingegen: „Außerdem nahm die Polizei einen 19-jährigen Asylbewerber aus Syrien in Gewahrsam. Er soll zwei Mädchen im Alter von 13 und 15 Jahren an die Brust gefasst haben.“

Dass die Information über die Herkunft des mutmaßlichen Täters in der Volksstimme fehlte, setze die Zeitung dem Verdacht aus, dies „aus politischem Kalkül oder auf Weisung von oben“ zu vertuschen, meinte ein Leser aus Colbitz.

Dass dem nicht so ist, braucht wohl nicht extra betont zu werden. Wie konnte es also zu dem Informationsverlust kommen? Bernburg, das sein Fest feierte, liegt außerhalb des Verbreitungsgebietes der Volksstimme. Wir waren nicht mit einem eigenen Reporter vor Ort, und wir beziehen auch nicht die örtlichen Polizeiberichte von dort. Deshalb haben wir eine Agenturmeldung übernommen, die leider auf jeglichen Hinweis auf die Herkunft des mutmaßlichen Täters verzichtete.

Dass die Kollegen der Nachrichtenagentur sehr zurückhaltend sind, was die Erwähnung der Zugehörigkeit des mutmaßlichen Täters zu einer ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit angeht, ist nachzuvollziehen. Der Pressekodex gebietet solches.

Da die Polizei aber die Herkunft des 19-Jährigen genannt hatte, waren die Fakten „auf dem Markt“ und „ein begründetes öffentliches Interesse“ vorhanden, das der Pressekodex einfordert, schließlich wurde landauf, landab über den Vorfall diskutiert. Da hilft gegen den Vorwurf der Vertuschung nur die Benennung der Fakten.