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Jobcenter Umzug vertagt

Das Jobcenter trägt weiter Kosten für die Wohnung einer ALG-II-Empfängerin mit Gesundheitsproblemen in Magdeburg.

Von Gudrun Oelze 03.12.2017, 23:01

Magdeburg l 73 Quadratmeter groß ist die Zweiraumwohnung, die eine Magdeburger Leserin bewohnt. Zu groß und mit einer monatlichen Grundmiete von beinahe 400 Euro sowie Betriebskosten von nochmals rund 85 Euro pro Monat zu teuer, meint das Jobcenter der Landeshauptstadt. Denn nach der aktuellen kommunalen Unterkunftsrichtlinie gelten in Magdeburg maximal 50 Quadratmeter Wohnfläche und eine Bruttokaltmiete von 307 Euro pro Monat als angemessen für einen Einpersonenhaushalt.

Die laufenden Mietkosten unserer Leserin übersteigen indes den maximal angemessenen Bedarf an Leistungen für Unterkunft und Heizung um mehr als 170 Euro im Monat. Grund genug also, sie zur Senkung der Mietkosten bis zum 31. Januar 2018 aufzufordern. „Das kann beispielsweise durch Untervermietung oder Umzug erfolgen“, teilte ihr das Jobcenter im Oktober mit und auch, dass die ALG-II-Bezieherin „die Differenz zur vollständigen Miete“ selbst tragen könne.

Durch anhaltende gesundheitliche Probleme sei sie aber nicht in der Lage, einen Umzug zu bewältigen, schrieb die Betroffene dem Leserobmann. Ende November erst stand wieder ein Klinikaufenthalt mit Operation an der linken Hand an, die mit einer Prothese versehen wird. Das bedeute auch eine lange, sich über Monate hinziehende Nachbehandlungszeit, während der sie die Hand nicht belasten dürfe, teilte sie mit. Auch wegen anderer körperlicher Beschwerden nach vielen Operationen unter anderem an Bandscheibe, Schulter- und Kniegelenken sowie der Halswirbelsäule sei sie weder arbeits- noch umzugsfähig. „Ich wäre gern ein ganz normaler Mensch, der einen Job hat und nicht beim Amt betteln muss“, versicherte sie dem Leserobmann, der sich wegen des von der Frau geforderten Umzugs in eine kleinere und preiswertere Wohnung daraufhin an das Jobcenter wandte.

Den angemessenen Umfang übersteigende Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind so lange anzuerkennen, „wie es nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, sie durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken“, reagierte das Amt auf unsere Anfrage. Doch sei dies in der Regel längstens für sechs Monate möglich. „Das bedeutet auch, dass das Jobcenter in sogenannten atypischen Einzelfällen die Regelfrist von sechs Monaten entweder verkürzen oder verlängern kann“, so Pressesprecher Christian Schmidt.

Im Falle unserer Leserin habe das Jobcenter diese Frist schon verlängert, nachdem sie im Juli 2017 mitteilte, aus gesundheitlichen Gründen weder eine Beschäftigung aufnehmen noch in eine angemessene Wohnung umziehen zu können. Daraufhin nämlich wurde sie gebeten, ihre Kosten zum 31. Januar 2018 abzusenken. Erst später habe das Jobcenter erfahren, dass sie arbeitsunfähig und aufgrund ihrer Erkrankung physisch und psychisch schwer belastet sei. Ihre starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen bedauere man sehr, ließ die Behörde über Sprecher Christian Schmidt nun den Leserobmann wissen. „Selbstverständlich“ sei ein Umzug zur Absenkung unangemessener Kosten für Unterkunft und Heizung unter diesen Umständen nicht zumutbar. Deshalb wurde die Frist dafür nochmals verlängert, nun auf den 30. April 2018.

Ob sie es bis dahin schafft, auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt eine angemessene Wohnung für sich zu finden, in der sie sich auch wohl fühlt, und den Umzug dorthin zu bewältigen, bezweifelt die knapp 60-Jährige indes noch etwas.

Doch vielleicht ergibt sich in den fünf Monaten nach der jetzigen Operation durchaus die Möglichkeit, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken, teilten wir ihr zusammen mit guten Wünschen auf baldige Genesung sowohl des Jobcenters als auch unserer Redaktion mit.