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Zeitgeschichte Als die Zeitung den Gedenktag ignorierte

Natürlich ist es wichtig an Gedenktage zu erinnern. Das Erinnern ist aber nicht an Gedenktage gebunden.

Von Peter Wendt 25.09.2017, 01:01

Beim Durchblättern der Zeitung war mir schon klar, es würde kritische Nachfragen geben, welchen Grund es habe, dass dieses Datum so gänzlich ignoriert wurde. So kam es denn auch. „Warum erscheint die Ausgabe der Volksstimme vom 1. September 2017 ohne eine einzige Zeile zum 1. September 1939? Als Zeitzeuge bin ich echt empört“, schrieb der Magdeburger Walter Banse an den Leser-Obmann. Am 1. September 1939 hatte die deutsche Wehrmacht ohne Kriegserklärung Polen überfallen. Der Überfall markierte den Beginn des Zweiten Weltkrieges, der in sechs Jahren knapp 60 Millionen Menschen das Leben kostete. Seit den 1950er Jahren in der DDR und seit 1966 in der Bundesrepublik wird der 1. September als „Weltfriedenstag“ beziehungsweise als „Antikriegstag“ begangen.

Der 1. September dieses Jahres war also der 78. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges. Weil kein runder Gedenktag, war keine eigene historische Betrachtung der Volksstimme zu dem Tag vorbereitet worden. Auch gab es weder offizielle Gedenkveranstaltungen noch überregionale gewerkschaftliche oder kulturelle Aktionen, über die die Nachrichtenagenturen berichteten und die sich so in dieser Zeitung hätten wiederfinden können. Ganz ähnliche Kritik, nämlich dass wir einen wichtigen Gedenktag ignoriert hätten, hatte es übrigens auch schon am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, gegeben, der ebenfalls kein runder war. Damals machten wir den „Fehler“ wieder gut, indem wir eine Bildnachricht über die Militärparade zum „Tag des Sieges“ auf dem Roten Platz in Moskau veröffentlichten.

Natürlich ist es wichtig – besonders mit Blick auf die jungen Menschen im Land, die das glücklicherweise nicht selbst erleben mussten – und deshalb auch uns Anliegen, die Erinnerung an jenen barbarischen Krieg und alles, was an Not, Leid und Elend daraus resultierte, wachzuhalten, nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Die gegenwärtigen Krisen in der Welt unterstreichen die Notwendigkeit noch. Das Erinnern ist aber nicht an Gedenktage gebunden.