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Kein Zerstreuungskino Promi-Geburtstag vom 23. März 2017: Michael Haneke

Der Filmschaffene hat mehr als 100 Preise für sein Werk eingesammelt: Der Oscar gehört dazu und auch ein gestrickter Schal aus Afrika. Der für seinen Realismus berühmte Regisseur wird 75.

Von Matthias Röder, dpa 22.03.2017, 23:01

Wien (dpa) - Sein größter Triumph liegt nur wenige Jahre zurück. 2013 bekam der Regisseur Michael Haneke den Oscar für das Drama "Liebe" in der Kategorie bester fremdsprachiger Film. Da ging es kammerspielartig um eine alte Frau, die nach einem Schlaganfall von ihrem Mann aus Liebe getötet wird.

Der heute 86-jährige Jean-Louis Trintignant spielte die Hauptrolle - und das tut er auch in Hanekes neuem Film "Happy End", der im Herbst 2017 in die Kinos kommen soll. Mit dabei ist auch wieder die französische Schauspielerin Isabelle Huppert. Sie gehört spätestens seit dem Erfolg von "Die Klavierspielerin" (2001) zum engen künstlerischen Kreis um den gebürtigen Münchner, der in Österreich aufgewachsen ist und in Wien an der Filmakademie lehrt. Haneke wird heute (23.3.) 75 Jahre alt.

Der Regisseur ist für seine in ihrer Schmucklosigkeit besonders direkt und realistisch wirkenden Filme bekannt. Das gilt auch für "Das weiße Band" (2009) über die bedrohlichen und unheilkündenden Vorfälle in einem deutschen Dorf am Vorabend des 1. Weltkriegs, mit dem er erstmals die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes gewann. "Keiner von all diesen Regisseuren ist romantisch, und keiner versucht, die Figuren zu idealisieren", vergleicht Huppert im Gespräch mit der Wiener Zeitung "Die Presse" Haneke mit seinen Kollegen Claude Chabrol und Paul Verhoeven.

Gewalt in ihrer körperlichen und seelischen Form ist das Thema, das den Professor an der Wiener Schmiede für Filmschaffende umtreibt. "Funny Games" (1997) über die Ermordung einer Familie durch zwei Jugendliche ist in seiner unentrinnbaren Konsequenz kaum erträglich.

Die Filme Hanekes seien "Dokumente des Sichtbaren, aber sie erklären nicht, sie sind nicht ausrechenbar", hieß es 2016 zur Verleihung eines Filmpreises in Österreich. Mehr als 100 Auszeichnungen hat Haneke, der als Fernsehspiel-Dramaturg beim damaligen Südwestfunk in Baden-Baden und Theaterregisseur angefangen hat, inzwischen eingeheimst. "Jeder Preis ist willkommen. Denn jeder Preis bedeutet eine Verbesserung der Bedingungen bei der nächsten Arbeit. Unter den Preisen ist ein ganz einfacher aus Afrika, ein gestrickter Schal. Das finde ich rührend", sagte er vor wenigen Jahren der dpa.

Haneke wollte eigentlich Schauspieler werden, wurde aber als 17-Jähriger nicht zur Aufnahmeprüfung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien zugelassen. Auch den Wunsch, Konzertpianist zu werden, ließ er fallen. Er studierte stattdessen in Wien Philosophie, Psychologie und Theaterwissenschaften. Unter anderem an den Bühnen in Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg, München und Berlin inszenierte er in den 70er Jahren mit Vorliebe Klassiker. Ende der 80er Jahre kam Haneke zum Kino und startete mit "Der siebente Kontinent" eine weitere Karriere. Die "Vergletscherung der Gefühle in der hoch industrialisierten Welt", so Haneke selbst, zeigte er exemplarisch am Schicksal einer kleinbürgerlichen Familie, die im Selbstmord endet.

Sein Herz - zumindest das cineastische - schlägt für die weniger privilegierten Länder. "Das interessanteste Kino ist das der Dritten Welt, der Schwellenländer. Die haben wirkliche Probleme, mit denen sie wirklich kämpfen, für die sie wirklich brennen, gegen die sie wirklich etwas tun wollen. Bei uns ist Kino eher zum Zerstreuungskino degeneriert. Das ist im Allgemeinen ein wenig langweilig", sagte er 2013. Das Thema seines neuen Films ist nur folgerichtig. In "Happy End" wendet er sich auch der Flüchtlingskrise zu. Der Film über eine Familie spielt im französischen Calais, einem Hotspot des Migrations-Dramas.

Biografie und Filmografie Haneke