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Ende einer Ära In Japan beginnt bald eine neue Zeitrechnung

Seit 30 Jahren sitzt Japans Kaiser Akihito auf dem Thron. Bald wird der im Volk höchst angesehene Monarch abdanken. Für die Japaner bedeutet dies das Ende der Ära "Heisei".

Von Lars Nicolaysen, dpa 22.02.2019, 06:41

Tokio (dpa) - Es gibt viele letzte Male für Japans scheidenden Kaiser Akihito dieser Tage. Ende Dezember zeigte er sich in seiner Funktion als Monarch an seinem 85. Geburtstag ein letztes Mal auf dem Balkon seines Palastes den Untertanen.

Ein paar Tage später noch einmal an selber Stelle, um ein letztes Mal sein Volk auch zu Neujahr zu grüßen. Ein Jahr, das Japan eine Zeitenwende bringen wird, wenn Akihito am 30. April abdanken und am Tag drauf sein ältester Sohn Naruhito den Chrysanthementhron besteigen wird.

Es ist das erste Mal seit rund 200 Jahren, dass ein Monarch zu Lebzeiten seinem Nachfolger weicht. Doch vor diesem historischen Ereignis wird die japanische Nation noch einmal Akihito mit einer Zeremonie am 24. Februar anlässlich des 30. Jahrestages seiner Thronbesteigung würdigen. Ein Tag zuvor wird der künftige Kaiser 59 Jahre alt.

In all diesen drei Jahrzehnten verkörperte Akihito stets Kontinuität und Zuverlässigkeit, machte seinem Volk Hoffnung und gab ihm ein Gefühl der Geborgenheit. Unermüdlich setzte sich das Oberhaupt der ältesten Erbmonarchie der Welt für seine Untertanen ein, machte den Opfern von Naturkatastrophen Mut, besuchte Altenheime und Einrichtungen für Behinderte und präsentierte sich stets als ein würdevolles Symbol seines Landes. So auch kürzlich beim Besuch von Kanzlerin Merkel.

Akihitos lange Regentschaft trägt den Namen "Heisei" (Frieden schaffen). Er selbst ist geprägt vom Grauen des Zweiten Weltkrieges. Als Kind war er vor den Bomben der Amerikaner aus Tokio in Sicherheit gebracht worden. Zwar darf sich Akihito zu politischen Fragen nicht äußern. Dennoch verstand er es während seiner Regentschaft, sich als überzeugter Verfechter der pazifistischen Nachkriegsverfassung zu beweisen - indem er indirekt Kritik an denen übte, die versuchen, Japans Kriegsvergangenheit zu rechtfertigen. Dazu zählen Kritiker die Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Shinzo Abe. Für manche Beobachter ist Akihito das moralische Gewissen der Nation.

Für viele Japaner war "Heisei" allerdings zugleich eine Zeit, in der es mit Japan nach Jahrzehnten des wirtschaftlichen Aufstiegs bergab ging. In der sich die Schere zwischen Reich und Arm zu öffnen begann, in der Japan vom mächtigen Nachbarn China wirtschaftlich überholt wurde und man sich als Japaner des eigenen Arbeitsplatzes nicht mehr sicher sein konnte. Eine Zeit, in der die rasante Überalterung der Gesellschaft, die in Japan so schnell verläuft wie in keinem anderen Industrieland, zu einem seither zentralen Thema für Japan wurde.

"Heisei", das war auch die Zeit von verheerenden Katastrophen wie in Kobe 1995 und 2011 in Fukushima. In die auch der Sarin-Gas-Anschlag 1995 auf die Tokioter U-Bahn durch die Endzeitsekte Aum Shinrikyo fällt. Für Japan ein gesellschaftliches Trauma, das die Überzeugung der Japaner, in einem Sicherheitsparadies zu leben, zerstörte.

"Showa", die Regentschaft von Akihitos Vater Hirohito, wird im Gegensatz dazu im Rückblick oft als die "gute alte Zeit" verklärt. Dass unter ihm Japan einst in den Krieg gezogen war, tritt in den Hintergrund. Stattdessen wird "Showa" als die Zeit des Wirtschaftswunders, als Japan nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg zur Nummer zwei der Weltwirtschaft aufstieg, wahrgenommen. Symbolisch dafür stehen der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen und Olympia 1964.

Dennoch würde niemand in Japan auf den Gedanken kommen, den Kaiser, der ohnehin keinerlei Regierungsbefugnisse hat, an solchen Entwicklungen zu messen. Das zeigt schon die enorme Beliebtheit von Kaiser Akihito. In Würde wird der greise Monarch bald abdanken und die "Heisei"-Zeit enden. Einen Tag später beginnt für die Japaner eine neue Ära unter Kaiser Naruhito. Im kollektiven Bewusstsein der Japaner ändern sich damit die Zeiten. Zum Besseren?