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Literaturmuseum Voller Vergnügen im Halberstädter Gleimhaus

Im Gleimhaus Halberstadt wird gekichert. Wer die Ausstellung zum scherzhaften Ton besucht, erfährt die heitere Seite der Aufklärung.

Von Grit Warnat 30.06.2019, 07:00

Halberstadt l Man hört, wie Weinflaschen geöffnet werden, dann Gelächter und ein kurzer Hicks. In zwei Ecken im einstigen Gleimschen Wohnhaus, dem heutigen Literaturmuseum, liegen und stehen leere Weinflaschen. Wer hier putzt, sollte wissen, dass diese Nachwehen einer Party nicht in den Müll gehören. Sie gehören zur Ausstellung. Auch wenn der Dichter und Sammler Johann Wilhelm Ludwig Gleim wohl eher Wasser getrunken haben soll, der Dichter Klopstock nannte ihn einmal den „undurstigsten der Sänger“, so war doch Weinseligkeit ein nettes Laster manches Schöngeistes im Rokoko.

Wenn man den Blick auf den Scherz jener Zeit richtet, so sagt Reimar Lacher, dann dürfe die Genusskultur nicht fehlen. Sie habe schließlich Konjunktur erlebt. Der promovierte Literaturwissenschaftler, der die Scherz-Ausstellung kuratiert hat, zeigt denn auch Genussmenschen wie Gustav Adolph Graf von Gotter, dem ein verschwenderischer Lebensstil nachgesagt wird. Sein Schloss im thüringischen Mohlsdorf dekorierte er mit Bildnissen von Freundinnen. Dass er gern auch mit Casanova verglichen wurde, ist dem ausgestellten Öl-Porträt, eine Leihgabe aus dem Erfurter Angermuseum, nicht zu entnehmen. Graf von Gotter ist dort nur beim zweiten Blick als Lebemann zu sehen. Dargestellt als Franziskaner mit leicht lüsternem Blick, löst der einstige Stiftsherr von Halberstadt die Kordel seiner Mönchskutte.

Passend zum Grafen ausfindig gemacht hat Kurator Lacher einen Suppenteller mit der gemalten Inschrift „Vive la joye“. Es lebe die Freude. Das Motto galt auch für den Arzt Julien Offray de La Mettrie. Der Bonvivant lacht auf einem Ölbild, entstanden um 1750. Ein Jahr später ist er gestorben. Es war wohl eine Trüffelpastete, die er verschlungen hatte, und die ihm das Leben gekostet haben soll.

Dieser Genuss, der Spaß, die Leichtigkeit und Scherzhaftigkeit ziehen sich durch die ganze Ausstellung. All das hatte im 18. Jahrhundert eine große Bedeutung. „Im Verlaufe der Literaturgeschichte aber wurde der Scherz, der einst vielfach provoziert hatte, abgewertet. Er wurde als seicht und läppisch abgetan“, sagt Lacher. Jetzt erzählt sein Haus, wie Scherz und Heiterkeit die Literatur und die Künste beeinflusste, wie es auch ein Leitwert der Geselligkeit war. Die Ausstellung ist somit auch ein Blick auf das Glückseligkeitsgefühl jener Zeit.

Malerei ist ausgestellt, zudem Grafiken, Briefe und Bücher, viele Porzellanplastiken, die aus den Manufakturen Meißen, Höchst und Ludwigsburg stammen. Etliche Leihgaben sind zusammengetragen worden, manches wandert aus der eigenen Sammlung in die Ausstellung wie Gleims literarisches Debüt „Versuch in scherzhaften Liedern“ (1744), das mit beschwingter Heiterkeit auf Gesang, Wein und Liebe eingeht. Es wurde mehrfach aufgelegt und bediente erstmals auch die Leserinnenschaft. Lacher nennt das Buch einen Volltreffer. Es liegt in einem großen Bücherschrank, aus dem immer wieder ein Kichern zum Ohr des Besuchers dringt. Nebenher finden sich verschiedene Autoren aus den 1740er, 1750er und 1760er Jahren, die allesamt scherzhafte Schriften auflegten. „Es war ein Phänomen der Zeit“, sagt Lacher.

Dichtung und Bildkunst lagen da eng beieinander. In der Malerei machten Schönheitsgöttin Venus und Amor Karriere. In der Ausstellung schießt Amor seine Pfeile auf den Betrachter, lässt der Maler Francois Boucher seine Schönheitsgöttin Venus im leichten Hemdchen lieblich auf den spielenden Amor blicken. Daneben scherzhaft amouröse Bilder von Januarius Zick: Schäfer und junge Dame im Flirt. Erotische Themen hielten Einzug.

Schwülstig, kokett, für die damalige Zeit auch pikant die Porzellanplastiken, die voller Küssender, Liebender, Tanzender sind. Vielsagend lächelnde Figuren. Lebe das Leben, mögen sie denken. Kokette Frauenköpfe und ein Frauenbein mit schönem Schuh zieren Pfeifenköpfe. Wer rauchte, versüßte sich somit den Tabakgenuss.

Heute dürfte ob der vermeintlichen Frivolität manches eher amüsieren. „Das Recht auf Heiterkeit, Freude und Vergnügen war eine Errungenschaft“, sagt Lacher. Dass auch die Moralkeule (nicht nur in Form eines Dreschflegels) zuschlug, hat der Kurator zwischen all dem Kichern, Lächeln und weintrunkenen Schluckauf auch thematisiert.

Die Ausstellung „Scherz – Die heitere Seite der Aufklärung“ läuft bis 15. September im Gleimhaus, Domplatz 31, Halberstadt. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr. Im Wallstein Verlag ist zur Ausstellung ein Katalog erschienen – mit einer Auswahl scherzhafter Gedichte.