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Theater Rap mit Frau Holle

Als ein humorvoller Märchenmix entpuppt sich die Inszenierung von „Frau Holle“.

Von Renate Petrahn 19.11.2015, 21:00

Quedlinburg l In diesem Jahr überrascht das Nordharzer Städtebundtheater zur Weihnachtszeit mit „Frau Holle“. Das, was da auf der Bühne zu sehen ist, hat jedoch nur wenig mit dem eher geruhsamen Grimmschen Märchen von der Gold- und der Pechmarie zu tun. Zwar sind die beiden Mädchen auch weiterhin die Hauptpersonen, dennoch symbolisieren Gold- und Pechmarie nicht mehr die klaren Gegensätze von „gut“ (fleißig) und von „böse“ (faul).

Die blonde Marie (Mona Luana Schneider, sehr zurückgenommen) ist eher bedächtig und verantwortungsbewusst, die dunkle Marie (Julia Siebenschuh mit überbordender Spielfreude) temperamentvoll und unbekümmert, nie um einen Ausweg, der das Leben leichter machen könnte, verlegen.

Aus der Stiefmutter wurde die ältere Nachbarin, um die sich die beiden Mädchen kümmern sollen: vorlesen, beispielsweise aus dem Märchenbuch, einkaufen und was sonst noch nötig ist. Aufgaben, die auch bei der Goldmarie nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Und so lässt sie sich allzu gern von ihrer Schwester ablenken, die überhaupt die treibende Kraft in der Inszenierung ist. Aber dann fällt das Märchenbuch in den Brunnen, Marie 1 springt hinterher, Marie 2 folgt ihr zeitversetzt nach.

War bis dahin das Bühnenbild (Udo Herbster) eher nüchtern und sachlich, wird es nun märchenhaft opulent. In dieser vielfarbigen Welt von Backofen und sprechenden Apfelbäumen taucht – wie in jedem Märchen – ein Prinz auf. In diesem Fall sorgt Prinz Hänsel (Sebastian Borucki umtriebig und mit vollem Körpereinsatz) für zusätzliche Turbulenzen. Unter Zuhilfenahme des gesamten Repertoires der bekanntesten Märchen, angefangen von Dornröschen, Schneewittchen, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Aschenputtel bis Froschkönig baggert er Marie 1, die er mag, an. Marie 2 hat es da schon schwerer, denn sie will ihn, aber er sie nicht. Dass der Prinz immer in Reimen spricht, passiere, weil man lange im Wald ist, sagt Frau Holle. Als die ist Gerold Ströher zu erleben, der auch die Nachbarin spielt.

Schließlich erreichen die beiden Maries, die Welt der wandernden Bäume passierend, das Haus von Frau Holle. Und hier kommt alles wie es kommen muss, Marie 1 erfüllt die Aufgaben, Marie 2 nicht. Das Ergebnis ist bekannt.

Doch zurück im Alltag ändert sich die Pechmarie. Während Goldmarie Äpfel und Brot für die Nachbarin mitgebracht hat, schenkt die Pechmarie ihr die Milch, die sie eigentlich selbst trinken wollte.

Alles in allem ein höchst amüsanten Spiel mit vielen Überraschungen um bewusste Lebensgestaltung, Aufmerksamkeit und gegenseitigen Respekt inmitten eines zauberhaften Bühnenbildes mit viel Musik zwischen zartem Rap und Cancan.

Da merkt man, dass Regisseur Manuel Schmitt in der Musikwelt des Theaters aufgewachsen ist. Beide Eltern sind extra zur Premiere nach Quedlinburg gekommen. Und sein Vater erzählt, dass sein Sohn seine erste Kinder-Statistenrolle in der Oper „Hänsel und Gretel“ hatte. Und bereits damals voller Neugier war, die Dinge neu zu sehen und zu gestalten. Als Regisseur kann er neue Sichtweisen auf Bekanntes umsetzen.

In Johanna Jäger, die den Text zu „Frau Holle“ schrieb, hat er die kongeniale Partnerin gefunden.

Und den eigentlichen Adressaten der Aufführung, wie hat es den Kindern gefallen? Super, super hieß es unisono von den Kindern der Kindertagesstätte „Anne Frank“ in Quedlinburg. Und das war nicht erst ihre Meinung am Ende des Stücks. Mit vielen Kommentaren und Lachen hatten sie die Handlung begleitet, oftmals den Maries wertvolle Hinweise gegeben, wo es langgeht und auf den Sitzen zum Takt der Musik gewippt.

Zur Premiere waren nicht nur Kinder und Freunde und Verwandte der Akteure gekommen. Auch „große Kinder“ hatten den Weg ins Nordharzer Städtebundtheater gefunden, weil: „Märchen kann man sich in jedem Lebensalter ansehen“.