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Flüchtlinge Keine Unterkunft in Markt- und Turnhallen

Die Zahl der Flüchtlinge steigt weiter. Auch im Jerichower Land. Kreis und Kommunen wollen es gemeinsam meistern.

Von Andreas Mangiras 02.10.2015, 01:01

Burg/Genthin l Die Aufnahme einer immer größer werdenden Anzahl von Flüchtlingen im Kreis haben Spitzenpolitiker und führende Verwaltungsbeamte des Kreises als „eine große Herausforderung“ bezeichnet. Dabei und bei der Integration der Flüchtlinge müssten die Menschen im Jerichower Land mitgenommen werden. Zu den derzeit im Kreis aufgenommenen knapp über 500 Flüchtlingen werden bis Jahresende nochmals 650 bis 700 dazu kommen. Davon geht aktuell Landrat Steffen Burchhardt (SPD) aus. „Die Daten ändern sich ständig, aber in der Prognose für 2016 gehen wir derzeit nochmal von 2500 bis 3000 Flüchtlingen aus, um deren Aufnahme wir uns kümmern müssen.“

Burchhardt und seine Verwaltung hatten am Mittwochabend dem Kreistag ein Konzept vorgelegt, wie der Kreis unter den bestehenden gesetzlichen Vorschriften diese Aufgaben im Einvernehmen mit den Kommunen meistern will.

Während bisher die beiden großen Städte im Kreis, Burg und Genthin, die Flüchtlinge aufgenommen haben, ist dies angesichts der zu erwartenden Flüchtlinge für das nächste Jahr allein dort nicht mehr zu stemmen.

Zusätzlich zu den Kontingenten, die der Kreis aufnimmt, hat das Land im Kreisgebiet drei Objekte im Auge, um eine Erstaufnahme von Flüchtlingen zu organisieren. Das ist das Institut für Band- und Katastrophenschutz in Heyrothsberge (250 Personen), der Truppenübungsplatz Altengrabow und ein leerstehender Supermarkt in Genthin.

Aber: Eine klare Absage erteilte Burchhardt zusammen mit den Bürgermeistern Jörg Rehbaum (Burg), Thomas Barz (Genthin) und Jens Hünerbein (Gommern), dass Flüchtlinge in leerstehenden Supermärkten oder in Turnhallen untergebracht werden. Das sei unwürdig. „Es ist ein Plan B für den Notfall, aber das Land rückt davon noch nicht ab“, so Burchhardt. Aber für den Markt in Genthin gebe auch noch keinen Vertrag.

Derzeit werden Unterkünfte und Wohnungen im gesamten Kreisgebiet gesucht. Im Jahr 2016 werden im Jerichower Land etwa 1500 bis 2000 Betten in Gemeinschaftsunterkünften und in Wohnungen zur Verfügung stehen müssen.

Aktuell liegt dem Kreis eine Liste mit 30 bis 35 Objekten vor. Von denen käme etwa ein Drittel in Frage, so Burchhardt. So könnten 600 bis 800 Plätze gesichert werden, vorausgesetzt man einige sich mit den Eigentümern.

In Burg gibt es aktuell noch Platz in der nochmals erweiterten Gemeinschaftsunterkunft und in den bisher und neu angemieteten Wohnungen am Paddenpfuhl.

Für nächstes Jahr will der Kreis in diesem Bereich auf einer eigenen Immobilie eine Unterkunft für bis zu 300 Personen in Schnellbauweise in drei bis fünf Monaten errichten. Dem Kreistag soll das am 4. November vorgelegt werden.

Container kommen dafür nicht in Frage. „Der Markt ist leer und die Kosten sind viel zu hoch“, so Burchhardt. Allein die Containerschule in Möser hatte den Kreis für die Zeit der Schulsanierung rund 800 000 Euro gekostet, für weit weniger Platz als jetzt benötigt.

Auch aus der Stadt Möckern gibt es Signale, Flüchtlinge aufzunehmen. In den Gemeinden Biederitz, Möser und Gommern ist der Markt bei an den Sozialstandards orientierten bezahlbaren Wohnungen wegen ihrer Nähe zu Magdeburg leergefegt.

In Genthin und Jerichow sind über die Wohnungsgesellschaft geeignete Objekte gefunden und bereits Verträge geschlossen. Bürgermeister Thomas Barz will am 5. Oktober ab 17 Uhr in einer Einwohnerversammlung im Stadtkulturhaus zum Thema Flüchtlinge Rede und Antwort stehen. „Um Unterkünfte allein geht es doch gar nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass das Thema uns zehn Jahre und länger beschäftigen wird. Unsere Infrastruktur reicht dafür nicht, ob Kitas, Schulen oder der Nahverkehr, die Finanzen auch nicht. Es muss alles auf den Prüfstand“, betonte Barz.

Das sieht auch Jörg Rehbaum so. Er geht davon aus, dass die Stadt die aktuelle Herausforderung meistern wird. „Aber wir dürfen nicht dahin kommen, dass wir andere Aufgaben für die Menschen vernachlässigen. Die Kommunen brauchen mehr Geld, das Land ist gefragt. Und die Menschen wollen ihren Alltag wieder.“

„Die Crux ist, dass nichts planbar ist“, sagte Jens Hünerbein. „Solange die Ursachen der Flucht nicht beseitigt sind, kommen die Menschen hierher.“

Derzeit erhält der Kreis je Flüchtling 8600 Euro pro Jahr. Im vorigen Jahr lagen die Ausgaben bei 11 200 Euro pro Kopf. „Die Kosten steigen weiter“, sieht Landrat Burchhardt dringenden Handlungsbedarf bei der Finanzausstattung. „Die Unterbringung ist nur der erste Schritt, der viel größere ist die Integration“, hob er hervor.

Eine besondere Aufgabe erwartet den Kreis ab 1. November. Ab dann kommen auch minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern oder Angehörige in Deutschland sind. „Wir suchen Menschen, die sich vorstellen können, Vormund für eines dieser Kinder zu werden“, erläuterte Burchhardt. „Das ist ein Hilferuf.“