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Volkstrauertag Deines Bruders Hüter

In das Gedenken zum Volkstrauertag in Burg haben die Teilnehmer die Opfer des Terroranschlages von Paris mit einbezogen.

Von Andreas Mangiras 16.11.2015, 12:41

Burg l „Wir gedenken an diesem Tag aller Toten und Opfer von Verfolgung und Gewaltherrschaft“, erklärte Burgs Bürgermeister Jörg Rehbaum (SPD) anlässlich des Volkstrauertages am Sonntag auf dem Burger Ehrenfriedhof. Rehbaum schlug den Bogen des Gedenkens bis zum Terrorangriff auf Paris. Dies sei „ein feiger Anschlag“ gewesen. „Wir stehen fest an der Seite unserer französischen Freunde“. Rehbaum hob hervor, dass Gewalt und Intoleranz einen Flüchtlingsstrom ausgelöst hätten. „Dies stellt unsere Demokratie auf die Probe.“

In den Volkstrauertag als Erinnerungstag schloss der Pfarrer der evangelisch-reformierten Petri-Gemeinde, Jürgen van Wieren, in seiner Gedenkansprache auch die Opfer von Paris mit ein. Er bat um eine Minute des Schweigens.

50 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg seien eine unfassbare Zahl, sagte van Wieren. Jede einzelne Zahl sei ein Mensch. Dieser Krieg mit all seinem Leid habe nicht erst 1939 begonnen, sondern „am 30. Januar 1933 mit der Machtergreifung Adolf Hitlers. Er richtete sich zuerst gegen das eigene Volk“.

Andersdenkende und Andersseiende seien diesem „Bürgerkrieg“ zum Opfer gefallen. Er erinnerte an Kommunisten und Sozialdemokraten, Bürgerliche und den Widerstand vom 20. Juli 1944, an behinderte Menschen, Sinti und Roma, Homosexuelle und „vor allem“ an die Juden.

Die heutigen Generationen in Deutschland trügen daran keine Schuld, aber sie stünden in besonderer Verantwortung, sich angesichts dessen für Menschenrechte, Frieden und Freiheit einzusetzen. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden“, griff van Wieren ein Wort von Apostel Paulus auf. Das Böse könne böse machen. Es verstecke sich hinter dem Anderen. „Das Böse kann uns die Hoffnung nehmen.“

Das Böse sei mit dem Guten zu überwinden, aber wie?, fragte der Kirchenmann. „Du sollst deines Bruders Hüter sein“, schickte er die Antwort nach. „Jeder Mensch hat eine Würde. Jeder ist ein geheiligter Mensch.“

Den durch Gewalt, Verfolgung und Elend anschwellenden Flüchtlingsströmen und den daraus erwachsenden Problemen stellte Pfarrer van Wieren entgegen: „Der größte Feind des Islamismus ist unsere Willkommenskultur.“

Nach der Gedenkzeremonie auf dem Ehrenfriedhof gingen alle Teilnehmer zum Ehrenmal für die gefallenen Sowjetsoldaten hinüber. Pfarrer Joachim Gremmes erinnerte daran, wie sehr sich heute wieder intolerantes selektives Denken breit mache. „Selektives Denken führt zu Selektion“, stellte Gremmes dies in den Kontext zum Volkstrauertag und zum Auftreten von so manchem vermeintlich „besorgten Bürger“ heute. Selektion steht auch für die „Ausmusterung“ von KZ-Häftlingen, die für die Vergasung bestimmt wurden.

Gremmes zeigte sich dankbar, dass in das gemeinsame Gedenken am Volkstrauertag in Burg nun auch, anders als noch vor einigen Jahren, die gefallenen Sowjetsoldaten einbezogen würden. Erst vor zwei Jahren hatte die Burger CDU erstmals am Volkstrauertag auch der sowjetischen Gefallenen des Zweiten Weltkriegs am Ehrenmal gedacht. „Wir haben selektives Denken überwunden. Das gibt eine kleine Hoffnung.“ Als Zeichen dafür legte Gremmes eine weiße Rose am Ehrenmal nieder - neben dem Kranz, den Bundeswehrsoldaten für den hiesigen CDU-Bundestagsabgeordneten Manfred Behrens abgelegt hatten.