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Job-Shop Meinen Job suche ich mir selbst

Es gibt viele Möglichkeiten, einen Arbeitgeber zu finden. Eine davon nennt sich Job-Shop.

Von Falk Heidel 17.11.2015, 14:38

Burg/Genthin l Nancy möchte Verkäuferin werden. So steht es an einer großen Tafel im PC-Raum. Dahinter sind Vermerke, an denen man erkennt, wie weit sie von ihrem Ziel entfernt ist. 30 Namen sind hier aufgeführt. 30 Berufe stehen dabei: „Die Leute tragen ihre Ziele ein. Können sich untereinander vergleichen. Fortschritte nachvollziehen“, erklärt Jobcenter-Bereichsleiterin Candy Kaczmarek. Sie meint: „Das motiviert.“ Zu den 30 Leuten gehört auch Rico, der sich beruflich für erneuerbare Energien interessiert und in dieser Branche eine Arbeit sucht.

Diese Menschen sind Bestandteil eines Projekts namens Job-Shop. Im Jerichower Land gibt es diese Initiative seit einem Jahr: „Von 160 Teilnehmern in den vergangenen zwölf Monaten haben 80 eine Arbeitsstelle gefunden“, sagt Candy Kaczmarek, die das Projekt vor einem Jahr mit einigen Kollegen ins Leben gerufen hat.

Jeden Tag kommen 16 Teilnehmer vormittags und 16 am Nachmittag in die Jobcenter-Räume auf dem Gelände der alten Kasernen in der Kreisstadt. Julia Rausch, Nico Reese und Monika Schiefner kümmern sich um die Leute, die einen Weg von Hartz IV in einen anständig bezahlten Beruf suchen.

Einen Termin zur Probearbeit hat Francis Aubel (27) aus Schlagenthin. Die junge Frau aus Thüringen ist vor einigen Jahren ins Jerichower Land gezogen und eines Tages im Zimmer von Julia Rausch gelandet. Zusammen haben sie eine Strategie entwickelt, die Francis Aubel zurück ins Berufsleben führen sollte: „Wir setzen dabei ganz stark auf die Eigeninitiative der Leute“, erzählt Beraterin Julia Rausch. Francis Aubel hat ihren künftigen Arbeitgeber im Online-Netzwerk Facebook gefunden, ein Immobilienmakler aus Burg: „Ein Freund von mir hatte die Stellenanzeige geteilt. Also erschien die Anzeige auch auf meiner Facebook-Liste. Ich habe dann ganz unkompliziert Kontakt mit dem Büro aufgenommen.“

Francis Aubel erzählte ihre Geschichte beim Tag der offenen Tür, den das Job-Shop-Team kürzlich zum einjährigen Bestehen der Initiative veranstaltete.

Gekommen war auch Dick Vink. Der redselige Holländer ist so etwas wie der geistige Vater der Job-Shop-Idee: „Von den 430 Jobcentern in Deutschland arbeite ich im Rahmen dieser Idee mit 120 zusammen“, sagte er zur Volksstimme. Seine Beratungsfirma ist international unterwegs: „Unter anderem setzt unser Beratungssystem darauf, dass sich die Teilnehmer gegenseitig unterstützen.“

Vom Jobcenter des Jerichower Landes werden Hartz-IV-Empfänger in die Job-Shop-Büros entsandt. Dort werden die Teilnehmer von zwei hauptamtlichen Coaches betreut. „Dabei setzen wir auf gruppendynamische Effekte“, sagt Bereichsleiterin Kaczmarek. Die Kollegen dort übernehmen die Rolle der Unterstützer und Berater, vermitteln aber nicht selbst in Arbeit. Das sollen die Teilnehmer selbst erledigen. Julia Rausch erzählt von einer durchaus angenehme Arbeitsatmosphäre: „Und zwar ohne Zwang und drohende Sanktionen beim unentschuldigten Fernbleiben.“ Ihre Botschaft an die Teilnehmer: „Es ist ihr Job, einen Job zu finden.“

Den Arbeitssuchenden bleiben maximal zwölf Wochen in der Einrichtung. Das Ziel ist aber, dass sie schon früher wieder weg sind, weil sie eine Stelle gefunden haben – so wie Francis Aubel.

Laut Candy Kaczmarek sind es häufiger Zeitarbeitsfirmen, mit denen das Jobcenter im Rahmen dieses Projekts zusammenarbeitet. Mitunter sind es aber auch ganz normale Handwerksfirmen aus unserem Landkreis. Ein Beispiel dafür ist Andreas Sindermann aus Körbelitz, der mit seinem Heizungs- und Sanitärtechnik-Unternehmen seit fast 25 Jahren am Markt ist.

Einer seiner acht Mitarbeiter ist im Oktober vom Job-Shop dazugestoßen: „Er hat bei uns einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten“, sagte der Firmenchef. Er schätzt die persönliche Komponente an dieser Art der Arbeitsvermittlung: „Früher waren solche Vermittlungsversuche steif und unflexibel. In unserem Fall kam der Kontakt Schritt für Schritt zustande.“ Candy Kaczmarek zufolge arbeitet der Job-Shop derzeit mit insgesamt zehn Unternehmen zusammen.

Eine Erfolgsgarantie gibt es freilich keine. Das belegt die intensive Suche von Christian Hiebsch (30) aus Prödel. Der gelernte Einzelhandelskaufmann und Mediengestalter sagte zur Volksstimme: „Ich habe schon 100 Bewerbungen geschrieben.“ Was ihn dabei am meisten stört: „Von vielen Adressaten habe ich keine Antwort, nicht mal eine Absage bekommen.“

Doch Julia Rausch und ihre Kollegen sind optimistisch: „Er ist flexibel, hat gute Chancen, einen Job zu finden.“