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Lesung „Ich bin Erzähler, kein Schriftsteller“

Seit Jahren schreibt Rolf Burkert Bücher über sein bewegtes Leben. Nun gab es auch eine Kostprobe in seinem Heimatort Ziepel.

Von Stephen Zechendorf 19.01.2016, 06:00

Ziepel l Die Titel der Bücher lassen nichts Gutes ahnen: „Mich hat der Esel im Galopp verloren“, „Ich bin das schwarze Schaf“ und „Mein Sternbild ist Skunk“ steht auf den einheitlich gestalteten Titelseiten. Dazu jeweils ein Foto von Burkert, das zu den Zeiten entstanden ist, um die es in den Büchern geht.

Und der Verdacht bestätigt sich nach wenigen Sätzen: es war keine gute Kindheit und Jugend, die Rolf Burkert durchlebt hat. 1938 in Oranienburg geboren, ab 1940 elternlos, ab 1944 Flüchtlingskind, von 1945 bis 1952 Landstreicher, Gefängnisinsasse, Heimkind, danach Malerlehrling im Jugendwerkhof Burg.

In Ziepel liest Burkert vor einem guten Dutzend interessierter Zuhörer aus dem ersten Buch „Mich hat der Esel im Galopp verloren.“ Burkert erläutert auch, warum er überhaupt dieses Leben aufzuschreiben begann: „Meine Tochter wollte, dass ich ihr von meiner Kindheit erzähle, meinte aber bald, es sei sinnvoller, wenn ich alles aufschreibe.“

Obwohl der heute 77-Jährige die Geschichten seiner Kindheit und Jugend schon so oft vorgetragen hat, gibt es immer wieder Passagen, an denen er stoppt. Aufhören muss zu lesen, denn dann sind die Erinnerungen wieder da. Die Erinnerung an den Bombenangriff auf das Kinderheim etwa, an die Angst im Luftschutzbunker und an die Erkenntnis danach, dass die Menschen im Nachbarbunker nicht überlebt haben: „Das packe ich nicht, alles zu lesen. Da bleibt mir die Stimme weg“, sagt er. Und dann fasst er mit knappen Worten doch noch zusammen.

„Ich bin kein Schriftsteller, ich bin ein Erzähler“, sagt Rolf Burkert. Es klingt ein wenig, wie eine Entschuldigung. Doch gerade in der schlichten Erzählweise liegt so viel Authentizität, wie sie für diese Lebensgeschichte nötig ist. Vieles liegt außerhalb der normalen Vorstellungskraft: da zieht ein Siebenjähriger alleine durch den Krieg, auf der Flucht nach irgendwo.

Warum er sich so gut an das alles erinnern kann, fragt eine Frau aus dem Publikum nach der Lesung: „Ich habe immer alles in mich reingefressen. Aber irgendwann musste es raus“, sagt der Ziepeler. Die Gespräche mit Weggefährten von damals, die er später wiedertraf, haben Lücken gefüllt. „Ich habe eher weggelassen als dazugesponnen.“

Gut zwei Stunden lauschen die Besucher dem Ziepeler Autor. Die letzte Geschichte des Abends handelt von einer Autofahrt. Sie führt den jungen Rolf Burkert zum „Volksgut Kampf“. Hier beendet Burkert die Lesung, verbunden mit einem Angebot: Es könne gerne weitere Lesungen geben, bei Interesse, sagt Burkert. Die Resonanz aus der Zuhörerschaft lässt vermuten: es wird diese Fortsetzung geben.

Rolf Burkert lässt darüberhinaus durchblicken, dass ein weiteres Buch in Vorbereitung sei. Dann geht es um seine Zeit als Melker. „In aller Brutalität“ will er über diese Zeit sprechen, sagt er mit einem Grinsen. „Was da so alles passiert ist“, sagt Rolf Burkert. Und man freut sich schon darauf, ihm zuzuhören. Schon weil man glaubt, dass ihm bei diesen Erzählungen wohl kaum die Stimme wegbrechen wird und er das Lesen ganz sicher packt.