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Steuerbetrug Ein erstes Verfahren eingestellt

Im Burger Biodiesel-Prozess wurde ein Verfahren gegen eine Auflage von 10 000 Euro eingestellt. Der Schaden geht in die Millionen.

Von Tobias Dachenhausen 02.02.2016, 06:00

Magdeburg/Burg l Bis zum 19. Februar hat Mateusz M. Zeit, die geforderte Geldauflage von 10 000 Euro an die Landeskasse zu überweisen, sonst wird auch sein Verfahren weiter fortgesetzt. Darauf einigten sich am Freitag am Magdeburger Landgericht Richter, Staatsanwalt und der Angeklagte.

M. wurde erste im Mai 2011 bei der damaligen Firma AS Gold GmbH in Burg angestellt. Von einem Familienmitglied habe er gehört, dass Zbigniew Z., der Kopf des Mutterkonzerns in Polen, finanzielle Probleme hatte. Darum hat die Familie von M. in das Unternehmen investiert. Das Geld sollte in die AS Gold GmbH nach Burg fließen. Die Bedingung für die Investition war, dass M. bei der Firma eingestellt und auch bezahlt wird. So wurde er Prokurist der Firma.

„Ich war nicht beliebt und wurde von den Mitarbeitern als Spion angesehen“, ließ er von seiner Anwältin vortragen. Konkrete Aufgaben hatte er allerdings nicht. Er hatte nach eigener Aussage weder Einblicke in das Labor noch in den Vertrieb. Die Firma erschien ihm merkwürdig. „Mir ist aufgefallen, dass immer mit Bargeld bezahlt wurde. Das kannte ich aus anderen Unternehmen nicht“, machte M. deutlich. Später habe er überlegt, das Geld zurückzunehmen und auszusteigen. „Ich wusste, dass dort komische Sachen passieren. Mit der Durchsuchung durch den Zoll wurde das bestätigt“, sagte M. aus. Sein Geld habe er bis heute noch nicht wiedergesehen.

Mit der Einstellung dieses Verfahrens müssen sich noch fünf Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor dem Landgericht Magdeburg verantworten. Zwischen Juli 2010 und Juni 2011 werden ihnen insgesamt 566 Straftaten zur Last gelegt. Sie sollen laut Anklage im Burger Gewerbegebiet einerseits statt steuerbefreiten Biodiesel Millionen Liter eines Ölgemisches hergestellt haben, der als Kraftstoff diente. Andererseits statt Schmieröl für Industrieanlagen ebenfalls Dieselkraftstoff produziert haben, ohne dafür Steuern zu zahlen. Bei einer Verurteilung drohen den Beschuldigten, die zwischen 31 und 42 Jahre alt sind, zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft.

Eine der noch fünf Angeklagten ist die damalige Laborantin Izabela M. In ihrer Einlassung am Freitag, die von Verteidiger Martin Pfnür vorgetragen wurde, weist sie einen Großteil der Vorwürfe zurück und spricht sogar von Ausbeutung durch ihre Vorgesetzten. Die Polin hat 2008 ihr Studium der chemischen Technologie in Breslau abgeschlossen und danach angefangen, in einem dortigen Unternehmen zu arbeiten, welches Biodiesel produziert.

Am 1. März 2010 unterschrieb sie einen befristeten Arbeitsvertrag bei Biotech, der Firma der Mitangeklagten Konrad M. und Bartosz L., die später als Produktionsleiter und technischer Direktor bei der AS Gold GmbH beschäftigt waren. Dorthin wechselte dann auch die Angeklagte M. im Oktober 2010 für ein Nettogehalt von 1400 Euro. Direkte Vorgesetzte blieben aber Bartosz L. und Konrad M. Ihre Aufgabe bestand zunächst darin, theoretisch alles für die Produktion von Biodiesel zu erarbeiten, um eine spätere Produktion aufnehmen zu können. Später wurde ihr dann von Bartosz L. mitgeteilt, dass statt Biodiesel Schmieröl produziert wird. „Davon hatte ich keine Kenntnis, keine praktischen Erfahrungen“, ließ sie sich ein.

Gemeinsam mit einer Kollegin, deren Verfahren wurde bereits mit einer Zahlung von 1500 Euro eingestellt, war M. gleichberechtigt im Labor tätig. „Bis April 2011 waren wir aber selten gleichzeitig da, da wir uns mit den Diensten abwechselten“, so die Angeklagte. Darum sieht ihr Anwalt auch keine Schuld bei 61 der von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen 110 Fällen. Sie sei zu diesen Tattagen „körperlich nicht in der Firma anwesend war“.

Anfangs sei die Produktion des Schmieröls in die richtige Richtung gegangen, später wurde aber immer weniger Basis- und dafür mehr Kraftstofföl verwendet. Konrad M. habe die Vorgaben geändert, gab sie zu Protokoll. Hinweise ihrerseits, dass man sich in Grenzbereichen bewegte, wurden von den Produktionsleitern ignoriert.

Ab Mitte Dezember 2010 wurden dann die Proben erst im Tanklaster genommen, so dass eine Nachregulierung gar nicht möglich gewesen wäre. Bereits vor der Beprobung habe festgestanden, welche Werte in das Zertifikat eingetragen werden sollten. Sie habe auf Anweisung ihrer Vorgesetzten gehandelt. Die hätten sie laut ihrer Aussage auch sehr gefordert. Statt abgemachter 40-Stunden-Woche wurden oft über 60 Stunden gearbeitet, teilweise gab es Tage mit 20 Stunden Arbeitseinsatz, weil rund um die Uhr produziert wurde. Urlaub habe sie nie bekommen. „Sie wurde ausgebeutet und benutzt“, sagte ihr Anwalt.

Eine Gleichberechtigung der beiden Laborantinnen hatte die Kammer bislang so nicht gesehen. Darum tendierte Richter Gerhard Köneke auch bei der Angeklagten M. zur Einstellung des Verfahrens, ähnlich wie bei ihrer Kollegin. Jedoch scheiterte das vorerst am Veto des Staatsanwaltes, der noch weitere Fragen hat. Der Prozess wird am 19. Feburar fortgesetzt.