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DRK Integration geht nicht mit kalten Füßen

Von den hunderten Kleidercontainern im Landkreis gehören 39 zum Roten Kreuz.

Von Falk Heidel 22.03.2016, 10:00

Genthin/Burg l Zwölf Säcke mit Altkleidern holen Jennifer Rogowski und Kerstin Schulenburg am Morgen aus den beiden roten Containern vor dem Genthiner DRK-Sitz an der Magdeburger Straße. Sogleich machen sich beide in dem kleinen Raum an die Arbeit. Zwischen etlichen Kleiderständern mit Mänteln, Blusen und Shirts breiten sie die Altkleider auf einem Tisch aus. Sichtkontrolle: „Das ist wirklich gute Qualität. Die Sachen sind gewaschen und sogar gebügelt“, sagt Jennifer Rogowski.

39 von diesen roten DRK-Altkleidercontainern stehen verteilt im Jerichower Land. Hinzu kommen unzählige Exemplare von anderen gemeinnützigen Anbietern beziehungsweise von Sammelfirmen: „Im Gegensatz zu kommerziellen Anbietern landen unsere Sachen in den Altkleiderkammern des Roten Kreuzes“, erklärt DRK-Vorstand Andy Martius: „Lediglich unbrauchbare Stoffe gehen zum Recycling in die Kfz-Industrie.“

Laut Jennifer Rogowski werfen viele Genthiner ihre ausrangierten Sachen nicht einfach in einen Container, sondern bringen sie, meist sehr nett verpackt, direkt in die Kleiderkammer: „Hier können sie sehen, was aus ihren Sachen wird.“

Sie arbeitet hauptamtlich für das DRK, die Kleiderkammer ist nur ein Teil ihres Aufgabenfeldes. Während ihre Kolleginnen Kerstin Schulenburg und Marlies Steuer in geförderten Maßnahmen über den zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt sind.

Kurz nach der morgendlichen Öffnung um 9 Uhr kommen die ersten Kunden in die Kleiderkammer. Wie in einem ganz normalen Geschäft stöbern sie zwischen den Sachen auf den Kleiderständern oder nehmen sich eine Hose aus dem Regal. Einzige Voraussetzung: Wer hier Kleidung möchte, braucht einen Berechtigungsschein, der den Besitzer (ähnlich wie bei der Tafel) als Bedürftigen ausweist.

Was DRK-Vorstand Martius ganz wichtig ist: „Unsere Kleiderkammern stehen den Einheimischen genauso offen wie Flüchtlingen.“ Solche Kleiderkammern betreibt der DRK-Kreisverband in Magdeburg, Burg, Genthin, Heyrothsberge und Altengrabow. Die beiden letzteren Standorte also genau dort, wo unzählige Flüchtlinge untergebracht sind. Martius: „Vor allem in Heyrothsberge ist die Ware derzeit knapp.“ Es fehle vor allem an brauchbaren Schuhen ab Größe 40, aber auch an Wintersachen allgemein. Den größten Mangel gibt es aktuell bei der Bekleidung für Männer, allerdings nicht unbedingt in XXL. Jennifer Rogowski: „Ich habe Menschen gesehen, die hier im Winter ohne Schuhe und Strümpfe bei uns in Deutschland angekommen sind.“

Mit 25 Mitarbeitern ist das Rote Kreuz im Jerichower Land in der Flüchtlingsbetreuung aktiv. Allein in Genthin und Burg stehen 900 Wohnplätze zur Verfügung – 500 davon sind belegt. Für fast alle Flüchtlinge ist das DRK zuständig. Fast: Den Zuschlag für die Unterkunft in Brettin haben die Malteser erhalten. Es ist kein Geheimnis, dass sich das DRK auch um diese Leute kümmern wollte. Zu den Hintergründen befragt, sagte Martius: „Kein Kommentar.“

Aus seiner Sicht geht es nach der Unterbringung um die tatsächliche Integration dieser Menschen in unsere Gesellschaft: „Jetzt sind alle Beteiligten gefragt bei der Suche nach Antworten: Welche Strukturen haben wir, wo muss nachgebessert werden?“ Martius spricht von der Verteilung auf die Kindergärten und Schulen: „Erzieher und Lehrer müssen sich auf die neue Situation einstellen.“

Im Jerichower Land verfügt das DRK über 1250 Plätze in elf Kindertagesstätten beziehungsweise Horten. Martius: „Wir müssen darauf achten, dass Flüchtlingskinder nicht einfach dort aufgenommen werden wo Platz ist, sondern es müssen Gruppenzusammenstellungen und Altersstruktur stimmen.“ Zudem müsse über das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Erziehern und Kindern, dem sogenannten Schlüssel in den Kindertagesstätten, diskutiert werden.

Unterdessen kümmern sich Jennifer Rogowski und Kerstin Schulenburg in der Genthiner Kleiderkammer an der Magdeburger Straße um die abgelieferten Kleidungsstücke. „Strümpfe sind sehr gefragt“, sagt Kerstin Schulenburg zur Volksstimme. Mit kalten Füßen funktioniert keine Integration.