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Verfahren Windpark-Konflikt geht weiter

Der beantragte Windpark bei Zeppernick ist nach wie vor im Widerspruchsverfahren. Der Kreis hatte den Projektantrag nicht genehmigt.

Von Andreas Mangiras 27.04.2016, 11:00

Zeppernick/Möckern/Halle/Burg/Genthin/Biere l Acht dicke Ordner, 35 umfangreiche Anhänge: Das Landesverwaltungsamt Halle hat im anhängigen Widerspruchsverfahren um den Windpark Zeppernick (siehe grüner Infokasten) jede Menge Arbeit auf dem Tisch. „Es ist zeitlich nicht absehbar, wann das Widerspruchsverfahren abgeschlossen sein wird“, erklärte gestern Gabriele Staedter, Pressesprecherin des Landesverwaltungsamtes, auf Volksstimme-Anfrage. Derzeit würden die Stellungnahmen aus den Fachbereichen erarbeitet.

Der Landkreis hatte den Antrag der Firma Lorica Energiesysteme abgelehnt - und dafür massive Kritik vom Investor geerntet (Volksstimme berichtete). Die Vorwürfe lauteten: Der Antrag sei nicht eingehend geprüft worden. Gutachten wären nicht berücksichtigt worden. Geschäftsführer Dr. Bernd Panzer wies zurück, dass es im Bereich des geplanten Windparkes die unter Naturschutz stehenden Vogelarten Rotmilan und Großtrappe geben würde. Er forderte ein korrektes Verfahren für den Windpark ein, der nach Firmenangaben ein Investitionsvolumen von 54 Millionen Euro umfasst. „Der Windpark ist nach allen Gutachten zweifelsfrei genehmigungsfähig.“

Den Vorwürfen widersprach jetzt die Kreisverwaltung. „Die Aussagen des Geschäftsführers der Lorica Energie Systeme entbehren jeglicher Substanz“, erklärte Kreis-Pressesprecherin Claudia Hopf-Koßmann. „Der Landkreis Jerichower Land hat nach einem ordentlichen Verfahren keine Genehmigung für den Windpark erteilt. Ausschlaggebend für die Ablehnung waren vorrangig naturschutzseitige Gründe.“

In den Jahren 2012/2013 erfolgte im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU) mit einer landesweiten Rotmilankartierung eine Brutbestandserfassung des Rotmilans, teilte der Kreis weiter mit. Die Ergebnisse würden von der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) als nicht vorhabensbezogene Fachmeinung beachtet. Die Daten würden darüber hinaus aufgrund fehlender eigener Kartierungen als artenschutzrechtliche Bewertungsgrundlage verwendet.

Zum Rotmilan-Bestand geht der Kreis derzeit davon aus: Die aktuell etwa 2000 Brutpaare in Sachsen-Anhalt machen rund 16 Prozent des Rotmilanbestandes in Deutschland und über acht Prozent des Weltbestandes aus. „Nach der Landesrotmilankartierung konnte für den Raum um Loburg mit 23 Brutpaaren pro 100 km² mit die höchste Bestandsdichte in Sachsen-Anhalt festgestellt werden“, informierte die Kreissprecherin. Demnach betrage der Landesdurchschnitt bei 10 Brutpaare/100 km², Landkreisdurchschnitt beträgt 6 Brutpaare/100 km². „Der Raum Loburg stellt somit – als sehr aktives Brutgebiet – einen bedeutenden Lebensraum für den Rotmilan dar“, so Claudia Hopf-Koßmann.

Der Landkreis als Untere Naturschutzbehörde geht derzeit nach eigenen Angaben von drei aktiven Horststandorten im 2000 Meter-Bereich um das geplante Windparkgebiet aus. „Hiervon befindet sich ein Horst innerhalb des 1000 Meter-Bereiches und ein weiterer innerhalb des 1500 Meter-Bereiches“.

„Der Windpark liegt nahezu vollständig im Bereich der empfohlenen Mindestabstände (1500 Meter) von Windenergieanlagen zu Rotmilanhorsten“, hatte Stefan Fischer von der Staatlichen Vogelschutzwarte Steckby gegenüber der Volksstimme erklärt.

Der 1000 Meter-Bereich gilt als Tabuzone. 1500 Meter-Umkreise sollen in künftiger Gesetzgebung die neue Tabuzone werden. Wenn hier also geschützte Tierarten leben, könnte ein Windpark sie bedrohen. Die Kreisverwaltung rechnet damit, dass „aktuelle Gesetzesänderungen im laufenden Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden müssen“.

Zusätzlich zu den Rotmilanen in der 2000er Zone geht der Kreis derzeit von drei weiteren Revierpaaren aus, „die sich im relevanten Umkreis bewegen, denen jedoch bislang kein Horststandort zugeordnet werden“ könne. Eines der Revierpaare bewege sich im Bereich eines 2012/13 kartierten Horststandortes.

Zu den Erhebungen aus den Jahren 2012 und 2013 hat die Untere Naturschutzbehörde UNB) Veränderungen im Gebiet ausgemacht. „Entsprechend der Begehungen durch die UNB sind offensichtlich weniger ,feste‘ Brutpaare im direkten Umkreis um den abgelehnten Windpark vorhanden, als dies 2012/13 der Fall war“, erläuterte die Kreissprecherin. „Stattdessen sind zahlreiche Einzeltiere oder Paare ohne konkrete Horstbindung im Gebiet zu beobachten. Aufgrund der Datenlage lässt sich dies jedoch kaum quantitativ konkretisieren. Qualitativ scheint die Störungsintensität im Gebiet deutlich zugenommen zu haben, weshalb es augenscheinlich häufig zu Standortwechseln oder zur Aufgabe anfänglich besetzter Horste kommt.“

Worin diese Störungsintensität besteht, ließ die Kreissprecherin offen.

Hier gibt es Vorwürfe der Bürgerinitiative „Unsere schöne Heimat“. Rotmilan-Horste würden verschwinden, ebenso wie von der Bürgerinitiative aufgebaute Nesthilfen.

Dies hatte Lorica-Geschäftsführer Dr. Bernd Panzer in einem Volksstimme-Interview zurückgewiesen. Im relevanten Windparkgebiet habe es 2012 keine Rotmilan-Horste gegeben. „Dann werden im Umfeld des geplanten Windparks künstliche Nisthilfen aufgehängt. So soll ein rechtlicher Konflikt mit dem Rotmilan extra provoziert werden, der bisher gar nicht besteht. Dieses Spiel geht nun schon seit drei Jahren.“ Er würde hiergegen alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen.

Die Bürgerinitiative hatte immer wieder beklagt, dass Rot-Milanhorste während der Brut- und Setzzeit bewusst gestört würden. Mehrfach sei etwa ein Fahrzeug gesichtet und deren Insassen angezeigt worden, die im Bereich des Planungsgebiet unterwegs waren.

Staatsanwaltliche und polizeiliche Ermittlungen dazu oder zu verschwundenen Horsten und Nisthilfen blieben ohne Ergebnis.

Auch Möckerns Stadtbürgermeister Frank von Holly (CDU) reagierte erstaunt auf die Äußerungen von Lorica. Wie schon die Bürgerinitiative „Unsere schöne Heimat“ hatte auch die Stadt Möckern Post von den Lorica-Anwälten erhalten und war daran erinnert worden, dass die Stadtverwaltung zu Neutralität und Unparteilichkeit verpflichtet sei. „Genau so ist es“, sagt Frank von Holly: „Und deswegen können wir es auch nicht zulassen, wenn jemand den Genehmigungstatbestand verändert. Und das Entfernen von Nestern ist so eine Veränderung des Genehmigungstatbestandes. Neutralität heißt schließlich nicht, untätig zu sein.“

Demzufolge werde man auch nicht der Lorica-Aufforderung nachkommen, die angebrachten Nisthilfen wieder zu entfernen. „Wir handeln nur an eigenen Objekten, also Bäumen, und auf Grundstücken, deren Eigentümer uns das gestatten.“

Nach Ansicht von Frank von Holly ist die Stadt verpflichtet, den Lebensraum der Vögel zu erhalten: „Wenn Nisthilfen illegal beseitigt werden – von wem auch immer – dann werden wir mindestens im gleichen Umfang Nisthilfen wieder herstellen. “

Von Holly erhob seinerseits Vorwürfe: „Beachtlich ist, dass in diesem und im vergangenen Jahr bei Kontrollen durch Polizei und Ordnungsamt eines Lorica-Fahrzeuges, welches sich in diesem Territorium zur Vogelbeobachtung bewegt, Steigeisen und Seile sowie kompletter Schnittschutzausrüstung festgestellt worden seien. Das beweist nichts, aber ist schon erstaunlich.“

Die Firma Lorica bestätigte, dass Mitarbeiter im und um den Windparkgebiet unterwegs seien. Sie sollen den Auftrag haben, etwa gegen Anlockfütterungen von Rotmilanen mit Kadavern von Wildtieren vorzugehen. Die Firma hat nach eigenen Angaben ihrerseits Anzeige erstattet.