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Aktionstag Ein Fluss prägt die Region

Wieder stehen die Flüsse bei einem Aktionstag im Fokus. Die Ihle in Burg und der Mühlengraben in Genthin, sie prägen das Leben der Menschen.

28.09.2019, 04:00

Burg/Genthin l Früher waren Ihle und Mühlengraben eng mit den Menschen verbunden. Beide Flüsse dienten nicht nur dem Handwerk, sondern vielfach auch der Erholung. Badeanstalten beispielsweise waren gang und gäbe. In Burg gab es sie zwischen Wasserstraße und jetzigem Sitz des Fischereivereins, nach Männern und Frauen getrennt. Die Älteren kommen bei den Erinnerungen ins Schwärmen. „Wir sind mit der Ihle groß geworden. Hier hat man sich getroffen, gespielt und ist im Sommer ins Wasser gegangen“, sagt Ursula Mahncke aus der Burger Deichstraße. Sie wohnt knapp 100 Meter von dem Fluss entfernt, der sich durch die Altstadt schlängelt und zeigt Bilder von ihrem Vater, der mit seinen Freunden, so um 1917, gern einen Sprung in die Ihle wagte. Das waren noch Zeiten …

Und heute? Nach zwei Dürresommern ist dem Fluss, dessen Verlauf sich in Burg mehrfach änderte, das Wasser abhanden gekommen. Das Land ist bemüht, die Natürlichkeit des Gewässers, in dem sich die Fische wieder tummeln und vermehren sollen, herzustellen und knüpft damit auch an die Geschichte an, als in der Ihle, genauso wie im Mühlengraben, noch die Angelruten ausgeworfen werden konnten und anschließend Aale oder Forellen in der Pfanne landeten. Das war vor Jahrzehnten im Falle der Ihle von der Quelle bis zur Mündung möglich, also von Lübars bis Burg.

Wobei die Ihle keine eigentliche Quelle vorweisen kann. Sie entspringt östlich des Fläming-Randes, durchfließt auf einer Strecke von 32 Kilometern die Orte Hohenziatz und Lüttgenziatz, die Stadt Möckern sowie Friedensau und Grabow, bevor sie durch das Burger Stadtgebiet in den Elbe-Havel-Kanal mündet. Gespeist wird sie vor allem aus kleineren Wiesenbächen und Sickergräben. Der einzige direkte Zufluss ist der so genannte Kammerforthgraben, gelegen an einer ehemaligen Walkmühle der Tuchmacher. Für sie war der Fluss Mittel zum Zweck. Vor allem in Burg fanden sie, wie auch andere Gewerke, reichlich Arbeit, darunter die Bierbrauer: Mit Aufhebung des Innungszwanges nach 1810 und damit der Schließung der Burger Innung entwickelte sich eine gewerbliche und später industrielle Bierproduktion in der Stadt. 1830 bestanden in der Stadt immer noch 33 Brauereien, davon verblieben 1840 noch 24, die ihr Bier bis nach Berlin lieferten. Um 1880 waren es nur noch neun Brauereien, die zumeist noch mit veralteten Methoden ein auch nach auswärts versandtes Lagerbier produzierten. Ohne die Ihle wäre der Gerstensaft längst nicht so gesprudelt. Ohne die Ihle hätten die Gerber ihre Felle nicht waschen können, ohne die Ihle hätten die Gärtner in Burg ihre Flächen nicht bewässern können. „Heute können wir nur darauf hinweisen, welche Bedeutung der Fluss einst hatte. Denn mit ihm ist die Stadt stets gewachsen“, sagt Karin Zimmer, Vorsitzende des Burger Heimatvereins. „Auch weil die Stadt mit der durchfließenden Ihle eine optimale Lage, beispielsweise für die Gerber, bot.“  Nicht von ungefähr entstand  eine Gerbergasse (heute Hainstraße) an der Ihle. Und bis Ende des 19. Jahrhunderts existierten noch 19 Gerbereien in der Stadt.

Daran kann heute nur noch erinnert werden. Auch die Mühle Zenker in Gütter ist ein Zeugnis dafür, dass einst mehr als 20 Mühlen die Wasserkraft des Flusses nutzten, wobei die Gütteraner Mühle heute umweltfreundlich mit der Kraft der Windenergie angetrieben wird.

Im 21. Jahrhundert ist die handwerkliche Nutzung der Ihle längst Geschichte. Vielmehr geht es darum, wie eingangs erwähnt, den Fluss in seiner Ursprünglichkeit zu erhalten und auch bei Hochwasser regulieren zu können. „Gewässerökologie hat einen wichtigen Stellenwert“, sagt  Flussbereichsingenieur Volker Hamann vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Der gesamte Verlauf ist in seiner Beschaffenheit längst wissenschaftlich untersucht worden. Für alle Abschnitte gibt es konkrete Vorhaben, die im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden sollen. Erst vor der Landesgartenschau im vergangenen Jahr legten Fachfirmen kräftig Hand an. So wurden Böschungen repariert, Anlandungen entfernt und Einläufe neu hergestellt. Auch zahlreiche kranke Bäume, die drohten, in das Gewässer zu fallen und das Wasser anzustauen, wurden entfernt. Fischaufstiegshilfen oder Profilerweiterungen sollen unter anderem dem Fuß weiteres Leben einhauchen.

Ob der Fluss eines Tages wieder so ein natürliches Paradies wird, wie zu Zeiten, als Ursula Mahncke noch Kind war? „Das wäre mein Wunsch“, hofft die 89-Jährige.