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Amtsgericht Ein Paar, ein Delikt, zwei Verhandlungen

Neuland für Burgs Strafrichter Winfried Leopold: Erst saß ein Ehemann auf der Anklagebank, eine Stunde später dessen Ehefrau.

Von Bernd Kaufholz 06.01.2017, 04:00

Burg l Das Auto war immer dasselbe – ein Mercedes Vito. Doch der Fahrer wechselte – einmal saß Frank S. hinter dem Steuer, ein anderes Mal steckte Angie S. den Schlüssel ins Zündschloss. Dumm nur: Der 46-Jährige hatte die Fahrerlaubnis bereits vor zehn Jahren abgeben müssen, weil er betrunken bei Rot über eine Kreuzung gebrettert war, die 29-Jährige hat nie eine besessen.

Doch diese Umstände hinderten beide allerdings nicht daran, mit dem Kleinbus die Straßen in und um Möser herum unsicher zu machen. Egal, ob zum Einkaufen um die Ecke, oder um die drei Kinder zur Kindereinrichtung zu chauffieren, gut, das der Opa Angie S. den Kleinbus vererbt hatte.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Sowohl der Angeklagte, als auch die Angeklagte versuchten erst gar nicht die Vorwürfe abzustreiten. Frank S. räumte ein, zwischen dem 14. und dem 23. September 2016 dreimal vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis unterwegs gewesen zu sein. Wie hoch die Dunkelziffer war, spielte im Prozess – weil nicht nachweisbar – keine Rolle (was für beide Angeklagte gilt).

Warum er denn nach dem Fahrerlaubnisentzug nie wieder versucht habe, neue Papiere zu bekommen, wollte der Richter wissen. „Zu teuer. Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung und die Fahrerlaubnis kosten rund 2000 Euro. Die hatte ich nicht.“ Dass dieses Argument nicht besonders stichhaltig war, wurde dem 46-Jährigen wohl erst klar, nachdem Leopold die zehn Vorstrafen vorgelesen hatte. Zwischen März 1999 und November 2016 listet der Zentralregisterauszug neben Betrug immer wieder Fahren ohne Fahrerlaubnis auf, zumeist geahndet mit Geldstrafen in unterschiedlicher Höhe. „Hätten sie das Geld in eine neue Fahrerlaubnis investiert, säßen Sie wohl heute nicht hier“, gab der Richter zu bedenken. Ob er denn nicht gewusst habe, was auf ihn zukommt, nachdem er am 14. September ohne Papiere in eine Kontrolle geraten war. „Stattdessen sind sie immer weitergefahren.“

Die Folgen habe er inzwischen bedacht, so der Angeklagte. Er werde sein „Leben völlig umkrempeln“, er werde bei seiner inzwischen ungeliebten Ehefrau ausziehen, sich eine neue Wohnung suchen, außerdem habe er einen ordentlichen Job bei einer Braunschweiger Firma als Küchenmonteur. „Ich fahre nur noch mit Bahn oder Bus.“

„Na hoffentlich“, klang Leopold nicht sonderlich überzeugt. Und philosophisch fügte er hinzu: „Wenn man eine Kategorie von Tätern zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilen will, dann sind es die Fahrer ohne Fahrerlaubnis. Andere nehmen sich eine Bewährungsstrafe meist zu Herzen und man sieht sie nicht mehr im Gericht. Ihresgleichen kommen immer wieder. Bis die rechtlichen Möglichkeiten für eine Bewährungsstrafe aufgebraucht sind.“

Die Trennung von seiner Frau sei vielleicht eine Chance für Frank S. alles neu zu regeln und auch das Arbeitsverhältnis sah Leopold auf der Habenseite des Angeklagten. Minuspunkte seien seine einschlägigen Vorstrafen. Das Gericht verurteilte S. zu einer Haftstrafe von einem Jahr, drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Ein Jahr ist ihm zudem der Weg für eine neue Fahrerlaubnis verbaut.

Angie S. hatte mit 17 Jahren versucht, die Fahrerlaubnis zu machen. Doch ihre Mutter habe den Geldhahn zugedreht, so dass sie abbrechen musste. Einmal habe sie die theoretische Prüfung nicht bestanden, so die Frau mit Abitur. Sie sehe ein, dass sie gegen das Gesetz verstoßen habe, indem sie zwischen dem 15. Januar und dem 21. September 2016 achtmal ohne Fahrerlaubnis gefahren sei. „Alles trifft zu. Aber ich werde jetzt mein Leben um 360 Grad drehen.“

Schuld sei der Tod des Opas, den sie nicht verkraftet habe und die Tatsache, dass ihr Noch-Ehemann immer gesagt habe: Fahr doch. Es wird schon nichts passieren. „Wussten Sie denn nicht, dass auch ihr Mann seit zehn Jahren keine Fahrerlaubnis mehr hat?“, wollte der Richter wissen. Sie wisse sehr wenig über Frank S., habe sie nach zehn Jahren Partnerschaft, davon drei Ehejahren, festgestellt.

Das Gericht verurteilte die 29-Jährige zu einer Geldstrafe in Höhe von 5100 Euro. Die „notorische Fahrerin ohne Fahrerlaubnis“ darf frühestens in neun Monaten an eine Fahrerlaubnis denken.

Das Fahrzeug konnte durch das Gericht nicht eingezogen werden. Der Vito war bereits vor einigen Monaten durch den Gerichtsvollzieher gepfändet und verkauft worden, um Schulden der Angeklagten zu begleichen.