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Bürgerforum Flüchtlinge ab Mai oder November

Weit über 200 Gommeraner besuchten am Dienstag die Bürgerinformation zur Unterbringung von Flüchtlingen.

Von Manuela Langner 18.02.2016, 06:00

Gommern l Ausgerechnet eine Werbetafel für die Einheitsgemeinde Gommern sorgte für die Schrecksekunde während der Informationsveranstaltung zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Stadt. Das Rollo riss ab, plumpste zu Boden und ließ viele Leute zusammenschrecken. Die Diskussion verlief dagegen ruhig. Einige Argumente wurden emotional vorgetragen, ingesamt dominierte in der Versammlungsstätte am Volkshaus jedoch ein sachlicher Ton.

Neben Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein (parteilos) stellten sich Landrat Steffen Burchhardt (SPD) und Bernd Girke, zuständiger Verwaltungsvorstand beim Landkreis Jerichower Land, sowie Christian Fenderl, Leiter des Polizeireviers Jerichower Land, den Fragen des Publikums. Eckhard Camin moderierte.

Die Fragesteller äußerten ihre Ängste und Befürchtungen. Wissen die Behörden überhaupt, wer ins Land kommt? Alles drehe sich nur noch um die Flüchtlinge. Wer kümmert sich um die Belange der eigenen Bevölkerung? Zugleich erhielten sowohl Bürger, die der Situation kritisch gegenüber stehen, als auch Leute, die die Schutzsuchenden mit offenen Armen begrüßen möchten, vom Publikum Beifall.

Wann werden die ersten Flüchtlinge in Gommern untergebracht?

Die Frage konnte niemand beantworten. Aufgrund der zuletzt gesunkenen Flüchtlingszahlen stehen dem Landkreis derzeit mehr Unterkünfte zur Verfügung als belegt sind. Steigen die Zahlen wieder, sind in Gommern laut Bernd Girke etwa 15 Wohnungen denkbar. Das entspreche etwa 70 Plätzen. Steffen Burchhardt sprach von bis zu 80 Plätzen. Mietverträge seien noch nicht abgeschlossen. Das heißt für Gommern auch: Eine Gemeinschaftsunterkunft ist vom Tisch. Steffen Burchhardt teilte außerdem mit, dass das Land künftig anders vorgehen will. Menschen, die nur eine geringe Aussicht haben, bleiben zu dürfen, sollen nicht mehr auf die Landkreise verteilt werden. Die Menschen, bei denen in der ZAST Halberstadt ein Bleiberecht festgestellt wurde, dürfen sich im gesamten Bundesgebiet frei bewegen. Der Landkreis ist nicht für ihre Unterbringung zuständig. Offen sei noch, ob der Gesetzgeber eine Residenzpflicht einführt, dass beispielsweise Schutzsuchende, die dem Jerichower Land zugewiesen wurden, auch im Landkreis bleiben müssen. Bis jetzt ist der Gegenteil der Fall: „80 Prozent haben die Beine in die Hand genommen“, sagte Steffen Burchhardt. Die, die geblieben seien, zogen Burg und Genthin wegen des Nahverkehrs und der Infrastruktur dem ländlichen Raum als Wohnort vor.

Wo könnten die Flüchtlinge untergebracht werden?

Jens Hünerbein nannte die Wohnquartiere Kellerberg und Max-Planck-Straße in Gommern. Zum einen könnte der Landkreis Wohnungen anmieten. Zum anderen könnten das Flüchtlinge mit einem Bleibestatus auch selbstständig machen. „Wir wissen nicht, wie viele sich für Gommern entscheiden.“ Der Landkreis bringt in den Wohnungen bevorzugt Familien unter. Nach Auskunft von Bernd Girke kamen zuletzt verstärkt Familien, aber der Großteil der Flüchtlinge seien nach wie vor Alleinreisende. Diese würden in den Wohnungen eine WG bilden. „Bei 350 Flüchtlingen auf rund 10 000 Einwohnern gibt es in Genthin weiterhin ein ganz normales Leben“, sagte Christian Fenderl. Aus polizeilicher Sicht gebe es nicht viel mehr zu tun als vorher. Er wurde mehr als einmal mit vermeintlichen Ladendiebstählen durch Flüchtlinge konfrontiert. Dem Hinweis, dass die Angestellten in einem Markt in Gommern angewiesen seien, Ladendiebstähle unter 50 Euro nicht anzuzeigen, ging die Polizei gestern gleich nach. „Das entspricht absolut nicht den Tatsachen“, teilte Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch mit. In diesem Markt werde jeder Ladendiebstahl zur Anzeige gebracht.

Wer bezahlt Unterbringung und Lebensunterhalt der Flüchtlinge?

Mit Steffen Burchhardts Hinweis auf „gesamtgesellschaftliche Kosten“ wollten sich die Bürger nicht zufrieden geben. Er erklärte darauf hin, dass der Landkreis eine Pro-Kopf-Pauschale vom Land erhalte. „Wir sind bemüht, genügend Geld vom Land zu bekommen.“ Das Haushaltsdefizit des Landkreises entstehe nicht durch den Bereich Asyl. Steffen Burchhardt sicherte zu, darüber zu informieren, ob es zu Mehrkosten für den Landkreis komme oder nicht. Auf die Gemeinden kämen erst Ausgaben zu, wenn sie ihre Infrastrukturen erweitern müssten, beispielsweise Schulen. Das könnte in Gommern der Fall sein, da die Grundschule, für die die Stadt verantwortlich ist, schon jetzt aus allen Nähten platzt. Gommerns Aufgabe wäre die Integration, sagte Jens Hünerbein. „Die ist nicht kostenfrei.“ Die Stadt bemühe sich um Fördermittel.

Wie können die Flüchtlinge sinnvoll beschäftigt werden?

Wer über einen Bleibestatus verfügt, soll durch das Jobcenter in Arbeit gebracht werden, sagte Steffen Burchhardt. Allerdings blieben Fragezeichen: Wie viele Flüchtlinge verfügen über eine ausreichende Qualifikation? Was ist mit der Sprachbarriere? Gibt es die passenden Arbeitsplätze? Gegen ein Jobprogramm speziell für Flüchtlinge sprach sich der Landrat aus. Wenn, dann müsste so ein Programm allen offen stehen. Allerdings seien Ein-Euro-Jobs etc. sehr schwierig, da es sich um Aufgaben handeln muss, die keine Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft gefährden, setzte Jens Hünerbein hinzu. Die „jungen Männer, die in Saft und Kraft stehen“ sinnvoll zu beschäftigen, trieb die Fragesteller um. „Es gibt nichts Gefährlicheres als Nichtstun“, sagte Eckhard Camin, verwies aber das das für alle gleichermaßen gelte.

Wie werden die Flüchtlinge betreut?

Für die Leute, die vom Landkreis untergebracht werden, gibt es Betreuer, informierte Bernd Girke. Diese seien für die Sozialberatung und Betreuung zuständig, ergänzte Steffen Burchhardt. Für Flüchtlinge mit Bleibestatus sollen die Integrationsnetzwerke vor Ort und zwei Integationskoordinatoren des Landkreises (jeweils einer für jeden Altkreis) greifen. „Sie können alle mithelfen“, wandte sich Fabian Borghardt, Koordinator des AWO-Nachbarschaftstreffs in Gommern, an das große Publikum. Wer Interesse habe, beispielsweise einen Sprachkurs zu leiten, solle ich bei ihm melden. Vorkenntnisse sind nicht notwendig.

Was ist mit denen, die nicht integriert werden möchten?

Hier sprach Steffen Burchhardt nur die Flüchtlinge an, die sich nicht integrieren möchten, weil sie, sobald es sicher ist, in ihr Heimatland zurück wollen. „Integration ist eine freiwillige Leistung. Wer länger bleiben möchte, dem wird die Möglichkeit gegeben, sich ins Alltags- und Vereinsleben zu integrieren“, sagte Jens Hünerbein.

Werden die Mieter informiert, wenn in ihr Haus Flüchtlinge einziehen?

„Wie der Vermieter mit der Situation umgeht, obliegt jedem selbst“, sagte Steffen Burchhardt. Es sei auf jeden Fall empfehlenswert, merkte Jens Hünerbein an. In Gommern wurden sowohl die Wohnungsgesellschaft als auch die Wohnungsgenossenschaft wegen Wohnraum angefragt. Aufgrund der erforderlichen Mitgliedschaft ist das Prozedere bei der Genossenschaft allerdings schwieriger.