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Ehrenmeisterbriefe „Ritter“ aus dem Jerichower Land

Karl Bluhme aus Jerichow und Klaus Nielebock aus Reesen bekamen vor kurzem den Diamantenen Meisterbrief verliehen.

Von Thomas Pusch 19.11.2019, 05:00

Magdeburg/Burg l Festlich ging es zu im Haus des Handwerks, dem Sitz der Handwerkskammer an der Magdeburger Gareisstraße. Im Mittelpunkt standen erfahrene Handwerksmeister, die für ihre lange Tätigkeit mit Ehrenmeisterbriefen ausgezeichnet wurden. 21 Meister aus ganz Sachsen-Anhalt kamen nach 60 Jahren den Diamantenen, nach 50 Jahren den Goldenen Meisterbrief verliehen.

„Der Meistertitel ist der Ritterschlag im Handwerk – das war vor 60 Jahren so, das war vor 50 Jahren so und das ist auch heute noch so. Mehr Qualität, mehr Ausbildung, mehr Verbraucherschutz und nachhaltige Betriebe bekommen wir nur mit der Meisterpflicht“, sagte Handwerkskammer-Präsident Hagen Mauer laut einer Pressemitteilung bei der feierlichen Übergabe. Drei der so zum Ritter Geschlagenen stammen aus dem Jerichower Land.

Bereits am 22. Oktober 1959 legte Klaus Nielebock aus Reesen seine Prüfung zum Tischlermeister ab. Zehn Jahre zuvor hatte sein Vater den Betrieb gegründet. 1970 übernahm Nielebock den Betrieb und führte ihn in zweiter Generation weiter. Mittlerweile ist die dritte Generation am Ruder. 1997 hat er die Tischlerei an seinen Sohn Matthias übergeben, der sie als mittlerweile ältesten Betrieb in Reesen führt. Doch der Senior ist trotz seiner 80 Jahre immer noch präsent. „Er macht mindestens den Telefondienst, aber auch Kleinigkeiten“, sagte der Junior im Gespräch mit der Volksstimme. Er leime beispielsweise Stühle, was heutzutage kaum noch jemand mache. Überhaupt habe sich das Tischlern sehr verändert, auch im Vergleich zu der Zeit, in der er selbst gelernt hat. Wo früher Hobel und Handsäge zum Zuge kamen, seien heute computergesteuerte Maschinen im Einsatz.

Die Ehrung mit der diamantenen Meister-Urkunde konnte Kurt Bluhme nicht selbst vor Ort entgegennehmen. „Ich besitze kein Auto mehr“, so der Kfz-Meister, und er sei auch nicht mehr gut zu Fuß. So war er im Haus des Handwerks nicht dabei. Doch die Ehrung durch die Handwerkskammer in Magdeburg nimmt der 87-jährige Jerichower mit Freuden an: „Die reiht sich ein und kommt an die Wand – wie mein Meisterbrief.“ Den erwarb Bluhme 1960. Nach der Wende arbeitete der selbstständige Kfz-Meister noch fünf Jahre, dann wurde er Rentner: „Früher mussten wir uns darum kümmern, immer genügend Ersatzteile ran zu bekommen.“ Heute, so Bluhme, kann jeder alles bekommen – man muss es nur bezahlen können. „Das wichtigste für meinen Betrieb war, dass ich gute Leute hatte, die was konnten.“ Heutzutage ersetze die EDV teilweise die Erfahrung, „aber gute Mitarbeiter sind immer noch unentbehrlich“.

Bereits vor 140 Jahren, 1879, wurde das Orthopädieschuhgeschäft von Walter Schotte im Burger Ortsteil Schartau gegründet. Er hat seine Meisterprüfung am 4. Mai 1968 abgelegt. „Die Verleihung des Ehrenbriefes war ein toller Moment, und ich habe dabei viel an die Zeit vor 50, mittlerweile schon 51 Jahren gedacht“, sagte Schotte im Gespräch mit der Volksstimme. Seitdem habe der Beruf unheimlich viele Veränderungen durchgemacht, allein schon angefangen bei der Technik. „Was wir früher noch per Hand genäht haben, wird heute oftmals geklebt“, nannte er ein Beispiel.

Verändert habe sich auch das Interesse am Beruf. Junge Menschen hätten heutzutage weniger Lust auf einen handwerklichen Beruf. Das zeige sich auch in seiner Branche, ganz deutlich abzulesen an der Anzahl der Lehrlinge. Während sein Großvater noch sehr viele ausgebildet habe, seien es bei seinem Vater schon weniger, bei ihm ein, zwei gewesen. „Meine Tochter hat keinen Auszubildenden, aber einen jungen Mitarbeiter“, sagte er. Kerstin Johann führt seit 2006 Schartaus ältesten Betrieb mittlerweile in fünfter Generation. Ihr Vater, der schon vier Jahre vor seiner Meisterprüfung zum Orthopädieschuhmacher den Schuhmachermeister gemacht hatte, ist aber immer noch nicht untätig. Gerne hilft er nach wie vor noch etwas im Betrieb aus.

Zweimal im Jahr verleiht die Handwerkskammer ihre Diamantenen und Goldenen Meisterbriefe. Laut Pressesprecherin Anja Gildemeister sind es jährlich etwa 60 Auszeichnungen. Laut Ehrenordnung werden sie an Meister vergeben, die vor der Handwerkskammer Magdeburg ihre Meisterprüfung abgelegt haben oder ihren Betriebssitz im Kammergebiet der Handwerkskammer Magdeburg hatten oder immer noch haben.