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Erste Hilfe Ein wimmerndes Schreien ist gefährlich

Jeder dritte Unfall von Kindern ereignet sich im Haushalt. Was es im Notfall zu beachten gilt, weiß Dr. Ulrich Schubert aus Burg.

Von Franziska Ellrich 19.07.2016, 11:32

Burg l Was tun bei Notfällen im Säuglings- und Kleinkindalter? Der Oberarzt an der Helios-Klinik Jerichower Land in Burg, Dr. Ulrich Schubert, hat Antworten parat. 20 Teilnehmer haben jetzt am Kurs zur Ersten Hilfe bei Babys und Kleinkindern teilgenommen. Unter ihnen: Werdende Mütter, frischgebackene Eltern, eine Oma und zwei Redakteurinnen der Volksstimme. Wir haben aufmerksam zugehört und die wichtigsten Hinweise für Sie aufgeschrieben.

Oberstes Gebot: „Niemals Schütteln“, ermahnt Dr. Ulrich Schubert die Zuhörer im kleinen Seminarraum in der Burger Klinik. „Das passiert mal aus Sorge, um ein Lebenszeichen aus dem Kind rauszukriegen, oder auch mal aus Reflex, um ein weinendes Kind zur Räson zu bringen“, spricht der Oberarzt aus Erfahrung. Und macht auf die möglichen Folgen aufmerksam - dazu gehört das lebensgefährliche ‚Schütteltrauma‘. Durch den relativ großen Kopf und die schwache Halsmuskulatur fehle einem Säugling einfach der Halt, die Stabilität.

Was die Kleinen noch von den Erwachsenen unterscheidet, ist der gesamte Körperbau. Und genau das macht laut Schubert die Kleinen so „temperatur-labil“ und wesentlich empfindlicher was Hitze und Kälte betrifft. „Wenn Eltern sich zum Beispiel im warmen Auto noch wohl fühlen, kann es für Kinder schon zu heiß sein“, erklärt Schubert. Für den Sommer bedeutet das: Das Kind nicht zu warm anziehen. „Erst recht im Kinderwagen, wo sich die Wärme staut, kann das gefährlich werden.“

Ob es dem Kind schlecht geht, was ihm weh tut - „leider können die Kleinen uns das nicht sagen.“ Deswegen beginnt der Oberarzt eindrucksvoll zu wimmern. Er will den Eltern deutlich machen, wann besondere Aufmerksamkeit gefragt ist. Es gebe die Situationen, in denen ein Säugling kräftig und jähzornig schreit, „aber wenn es ein wimmerndes Schreien ist, dann kann es wirklich was Schlimmes sein“.

Gefährlich wird es auch, wenn die Tasse mit dem frisch aufgebrühten Tee umkippt und das Kind sich daran verbrüht. Dr. Schubert hat zu diesem Thema eine beunruhigende Zahl parat: Jährlich werden zwischen 6000 und 8000 Kinder mit Verbrennungen im Krankenhaus eingeliefert. Und wenn es dem eigenen Kind passiert, gilt folgender Hinweis vom Oberarzt: Fünf bis zehn Minuten die verletzte Stelle unter lauwarmen Wasser, zirka 18 Grad, abkühlen. „Alles, was sich durch Kühlung vermeiden lässt, ist nach zehn Minuten gebremst“, so der Doktor. Danach soll ein steriler Verband drum, bevor es direkt zum Arzt geht. „In der Regel lässt mit dem Kühlen erstmal der Schmerz nach, mit einem Schmerz-Zäpfchen zusätzlich macht man aber auch nichts verkehrt“, rät Schubert.

Was der Oberarzt noch rät: Sämtliche Medikamente vor den krabbelnden Kleinkindern in Sicherheit bringen. Sollte doch mal etwas Giftiges verschluckt werden, unbedingt die Fragen klären: „Was, wann, wo, wie viel“, zählt Ulrich Schubert auf.

Das Gleiche gelte für giftige Pflanzen wie Tollkirsche oder Goldregen. „Die Dosis macht das Gift.“ Am besten sollte man einen Zweig von der betroffenen Pflanze mit ins Krankenhaus bringen. „Wir sind zwar keine Botaniker, aber wir nehmen dann sofort Kontakt zur Giftberatungsstelle auf.“

Bei diesem Thema hört Susann Klebe besonders aufmerksam zu. Sie ist zum ersten Mal dabei im Kurs der Burger Klinik. Ihr Kleiner ist drei Jahre alt. „Ich musste schon zweimal beim Giftnotruf anrufen“, sagt Susann Klebe. „An so einem Kurs teilzunehmen, schadet also ganz sicher nie.“ Die junge Mutter würde sich wünschen, dass es so eine Veranstaltung auch noch für ältere Kinder gebe.

Denn als Susanne Klebe sich die kleine Übungs-Puppe, wie vom Oberarzt vorgeführt, auf das Knie legt und beherzt auf den Rücken schlägt, um den Notfall beim Verschlucken zu üben, wird schnell klar, dass das mit ihrem Dreijährigen so fast gar nicht mehr möglich ist. Doch auch für die größeren Kinder gibt Dr. Ulrich Schubert einen Hinweis: Das Heimlich-Manöver. Dabei sollen die Eltern die Hände vor dem Bauch des Kindes fest verschließen und zudrücken, um den Fremdkörper aus den Atemwegen zu bekommen.

Bei den Säuglingen sieht das noch anders aus: „Höchstens fünf Schläge auf den Rücken, sonst reanimieren“, erklärt Dr. Schubert.

Ziel der Beatmung ist es dann, den Fremdkörper tiefer in die Lunge zu bekommen - damit das Baby nicht erstickt.

Was für den Oberarzt in punkto Gefahrenvermeidung immer gilt: „Liegt das kleine Kind in der Badewanne oder irgendwo erhöht, verlassen die Eltern nie den Raum.“ Höhe kostet ein paar Dutzend Kindern jährlich das Leben, macht Schubert aufmerksam. Der Unterschied zu Erwachsenen, auch wenn es nur ein Sturz aus geringer Höhe ist: „Die Kleinen machen sich nicht fest.“ Und aus diesem Grund: Immer der Blick zum Kind oder die Hand ans Bein. Was die Badewanne betrifft: Wenn Kinder kopfüber ins Wasser fallen, seien sie wie erstarrt. „Deswegen immer in der Nähe bleiben.“

Nähe ist auch wichtig, wenn das Kleine einen Fieberkrampf bekommt. „Das ist erstmal harmlos, sieht aber furchtbar aus“, sagt Schubert. Wichtig: „Ruhig bleiben, das Kind seitlich auf den Bauch legen und den Kopf schützen.“ Und wenn nötig den Notarzt rufen. Eine Minute Krampf würde den Eltern oft wie 15 Minuten vorkommen. „Die Angst lässt es solang erscheinen“, weiß der Arzt aus Erfahrung.

Eine andere Erkrankung, bei der den Eltern oft angst und bange wird, ist der ‚Pseudokrupp‘. Dabei kann es durch einen Infekt oder zu viel Schadstoffe, wie der Rauch vom Lagerfeuer, zu einer Schwellung im Kehlkopf-Bereich kommen. Was dann passiert, demonstriert Dr. Schubert mit einem bellenden Husten. Mit der kühlen Nachtluft, die man durchs Fenster reinlässt, würde aber oft schon die erste Besserung eintreten.

Ganz schlimm wird es, wenn das Kind einmal nicht mehr atmet. Egal ob es sich verschluckt hat oder in den Teich gefallen ist, jetzt gilt: „Immer Reanimation - auch wenn man das Gefühl hat, da ist nichts mehr“, macht der Oberarzt ganz klar deutlich. Das bedeutet: Erstmal zwei- bis fünfmal beatmen und dann 15 Mal Herzdruckmassage im Wechsel.

Das wird zum Abschluss des Kurses an den Säuglings-Puppen geübt. Lars Reinicke stellt sich dabei gar nicht so schlecht an. Der Brustkorb der Puppe hebt sich nach oben - das überprüft Oberarzt Dr. Ulrich Schubert ganz genau. Im September bekommt die Frau von Lars Reinicke ihr erstes Kind. Nicht nur die werdenden Eltern Linda und Lars Reinicke sind nach dem Kurs etwas beruhigter. „Mir macht besonders Angst, dass sich mein Kind mal so schlimm verschlucken könnte“, sagt Linda Reinicke. Genau solche Sorgen konnte der Arzt jetzt klären.

Auch Rettungsassistent Dirk Nabrich war mit seiner Frau beim Kurs dabei. Die kleine Tochter ist jetzt ein Jahr alt. „So ein Kurs ist wichtig, um die Ängste vor Fehlern zu nehmen - entscheidend ist nämlich nur, dass man überhaupt handelt“, sagt Dirk Nabrich.