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Facebook Wie sich ein Flirt als Erpressung entpuppt

Fast wäre Annette eine Freundschaftsanfrage bei Facebook teuer zu stehen gekommen.

Von Falk Heidel 08.02.2017, 06:00

Burg l Wie alle Frauen hört Annette* gern Komplimente. „Du bist perfekt, so wie du bist. Ich liebe deine blauen Augen.“ Jeden Tag schreibt ihr Bernhard* solche Liebesbeweise. Obwohl sie sich noch nie begegnet sind.

Annette ist 45 und erfolgreich im Job. Privat lief es nicht ganz so perfekt. Ihre Ehe ist vor zehn Jahren zerbrochen. Ein neuer Mister Big stand noch nicht vor ihrer Tür. Bis sie vor zwei Monaten auf Facebook diese Freundschaftsanfrage erhielt. Das Porträtfoto von Bernhard zeigt einen gepflegten Mittfünfziger. Ein Mann wie ihn sich Annette so oft ausgemalt hatte: Ein Manager-Typ. Ein Mann, an den sie sich anlehnen und aufschauen kann.

Die ersten Nachrichten sind belanglos. Das ändert sich in den nächsten Tagen und Wochen. Aus Texten werden Flirts. Aus Flirt wird Zuneigung. Aus Zuneigung wird Verlangen. Sie tauschen über Facebook nicht nur Wörter aus, sondern auch Fotos. Annette hat Schmetterlinge im Bauch: „Mit diesem Mann kann ich mir eine Zukunft vorstellen“, erzählt sie ihrer Freundin Nicole bei einem Glas Rotwein. Doch begegnet sind sich die beiden noch nie.

Es geht weiter mit Worten und Fotos. Nicht auf jedem Foto ist sie bekleidet. Liebe ist auch Erotik. Für sie ist das alles ein tolles Vorspiel für das große Glück, mit dem sie vor der Zeit mit Bernhard nicht mehr gerechnet hatte.

„Das kann schon mal passieren“, dachte sich Annette, als Bernhard sie um Geld bat, weil er mit seinem kleinen Unternehmen in kurzfristige Engpässe geraten sei.“ Er benötige ganz schnell 800 Euro. Fast hätte Annette gezahlt. Doch ihre Freundin Nicole wird stutzig: „Ein Treffen mit dir hat er bisher erfolgreich abgewehrt, aber er will Geld. Da stimmt etwas nicht.“

Nicole sollte recht behalten. Als Annette die schnelle Überweisung ablehnt, zeigt Bernhard seine gierigen Zähne. Er droht, ihre Nacktfotos im Internet zu veröffentlichen, wenn sie das Geld nicht zahlt.

Nachdem Annette eine Nacht heulend im Bett verbringt, geht sie am nächsten Morgen zur Polizei. Nicole hält ihre Hand, während sie dem Polizisten im kalten Revier ihre Geschichte erzählt.

Drei ähnliche Fälle hatten wir in den vergangenen Wochen im Jerichower Land“, sagt Ermittler Andreas Mertens, der im Burger Polizeirevier unter anderem für Internet-Kriminalität zuständig ist.

Betroffen waren Männer und Frauen in Burg, Detershagen und Biederitz. Mertens zufolge endeten diese Fälle ebenfalls mit der Bitte um Geld beziehungsweise der Drohung, freizügige Bilder zu veröffentlichen. Mertens: „Geld ist in allen drei Fällen nicht geflossen. Stattdessen sind die vermeintlichen Opfer zur Polizei gegangen.“ Mertens sagt aber auch: „Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle ist sehr hoch. Viele Menschen schämen sich, weil sie auf eine solche Masche hereingefallen sind.“

Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch sagt: „In der Regel handelt es sich bei solchen Fällen um organisierte Kriminalität. Die Täter agieren meist aus dem Ausland.“

„Auf keinen Fall Geld zahlen“, lautet der Rat von Andreas Mertens: „Ist die erste Summe überwiesen, folgen fast immer weitere Zahlungsforderungen.“

Wie solche Überweisungen funktionieren, erklärt Andreas von Koß vom Landeskriminalamt in Magdeburg: „Gezahlt wird mit sogenannten Bitcoins. Das sind digitale Münzen.“ Bitcoins kauft man entweder mit herkömmlicher Währung an Bitcoin-Börsen im Internet oder man bietet Waren und Dienstleistungen an und akzeptiert Bitcoins als Zahlungsmittel.

Das Landeskriminalamt registriert seit Jahren steigende Zahlen von Straftaten, die über das Internet gesteuert sind. Andreas von Koß: „2015 hatten wir in Sachsen-Anhalt 11 500 Internet-Straftaten, davon 4800 aus dem Ausland.“

Einig sind sich Andreas von Koß in Magdeburg und Andreas Mertens im Burger Revier: „Es ist schwierig, die Täter zu ermitteln. Zugreifen können wir erst dann, wenn die Kriminellen ihre digitale Welt verlassen. Zum Beispiel bei Geldübergaben.“

Annette hört immer noch gern Komplimente. Aber nicht mehr von Bernhard, den hat sie aus ihrer Facebook-Freundesliste entfernt.

* Name geändert