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Flüchtlinge Den Nahen Osten verstehen

Warum die Araber Frauen eigentlich nicht die Hand geben: Mohamed Mabruk gibt Einstiegskurse in die Kultur des Nahen Ostens.

Von Franziska Ellrich 07.06.2016, 11:20

Burg l Ob im Jobcenter, in der Ausländerbehörde oder beim Deutschen Roten Kreuz - täglich sind die Mitarbeiter mit der arabischen Kultur konfrontiert. Sie treffen auf Menschen, die noch kein Wort deutsch können, auf Männer, die Frauen nicht die Hand reichen wollen und auf mehrere Frauen, die aber mit dem gleichen Mann verheiratet sind. Die Kultur in der arabischen Welt ist eine andere.

Antworten auf Fragen zum Nahen Osten gab es jetzt von Mohamed Mabruk. Er ist der neue Integrationslotse in Genthin und gibt an der Kreisvolkshochschule Kurse in Sachen ‚arabischer Kulturraum‘. Mabruk ist eigentlich Ägypter, aber seit mehr als 24 Jahren in Deutschland Zuhause. Er kennt damit beide Welten gut - die im Orient und die in Europa.

Gefrühstückt wurde zu Kursbeginn erst einmal typisch arabisch: Falafel - frittierte Bällchen aus pürierten Kichererbsen - mit Sesamsoße und Malventee. Eigentlich gehöre noch jede Menge Knoblauch dazu, aber den hat der Koch aus Damaskus, der jetzt in Genthin ein Bistro betreibt, diesmal weggelassen. „Er hat sich wohl schon angepasst“, sagt Mohamed Mabruk mit einem Schmunzeln. Und erklärt weiter: „Bei uns holt man sich morgens das warme Frühstück vom Kiosk um die Ecke.“

Der Verkäufer wird mit einem ‚As-salamu alaykum‘ begrüßt - und verabschiedet. Zu jeder Tageszeit. Übersetzt bedeutet das: „Friede sei mit euch.“ Der Ägypter macht gegenüber den Kursteilnehmern deutlich: „Es geht alles immer um Frieden, aber der Frieden ist nicht da.“ Im Raum wird es ruhig. Mabruk schildert aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, in ständiger Unsicherheit zu leben.

In Ägypten arbeitete der studierte Lehrer als Reiseleiter. Der heute 48-Jährige hat einen Anschlag im Stadtzentrum von Kairo miterlebt. Eine Bombe ist direkt hinter seinem Rücken explodiert, Mohamed Mabruk flog 15 Meter durch die Luft. „Zum Glück ist von den Verletzungen nur der Tinnitus geblieben.“ Ein stetiges Geräusch im Ohr. Der Integrationslotse spricht von der angespannten Situation im Nahen Osten. Mabruk wirft die Frage in den Raum: „Warum gibt es in Syrien ein Problem?“ Und seine erste Antwort lautet: „Wegen Erdöl und Erdgas.“

Der Ägypter spricht von rentablen Waffenverkäufen durch die Amerikaner und Europäer. Er spricht von dem jahrhundertealtem Konflikt zwischen den beiden größten Glaubensrichtungen des Islam: Sunniten und Schiiten. Etwa 80 Prozent der Muslime weltweit sind Sunniten, nur in wenigen Ländern sind Schiiten wie im Iran und Irak in der Mehrheit. Und er spricht von Frauen, die an vielen Orten im Nahen Osten längst nicht gleichberechtigt leben. Von Zeiten, in denen Mädchen sogar lebendig begraben wurden. Weil man einen Sohn wollte, „der später bei der Hochzeit die Kamele mit in die Familie bringt“. Und nicht eine Tochter, die die Kamele mitnimmt. „Ein Männerüberschuss bedeutet eben auch Kriegspotential“, sagt Mabruk.

Angesprochen auf die Frauen, die nach Deutschland flüchten und hier mit völlig neuen Möglichkeiten konfrontiert werden, antwortet Mabruk: „Das braucht alles sehr viel Zeit.“ Warum tragen viele arabische Frauen trotzdem noch ein Kopftuch? „Weil die meisten das freiwillig so entscheiden“, erklärt der Integrationslotse. Das Tuch solle sie vor Blicken schützen. Genau deswegen würden die Männer auch Frauen nicht die Hand geben. Aus Rücksicht - gegenüber der Frau und ihrem Ehemann. „Aber hier in Deutschland macht der Schleier den Frauen eher das Leben schwerer und beschützt sie nicht. Deswegen würde ich davon abraten.“

Mohamed Mabruk malt die Form eines Gehirns an die Tafel: Er versucht die Gedanken der Männer aus seiner Heimat darin einzuzeichnen. Nur ein kleiner Teil sei die Vernunft. „So gut wie alles andere ist auf die Frauen ausgerichtet“, erklärt der Lehrer. Natürlich mit einem Schmunzeln. Ihm zufolge gibt es jedoch klare Ursachen dafür: Frauen und Männer wachsen im arabischen Raum vollkommen getrennt auf. Selbst in der Universität sitzen die Studierenden noch nach Geschlechtern getrennt im Vorlesungssaal. Auch wenn das rückschrittlich wirkt, seien die Menschen im Nahen Osten „bereits vollkommen amerikanisiert durch das Fernsehen“, erklärt Mabruk.

Was gilt es noch über Araber zu wissen: Sie reden laut und auch gern mal dazwischen. „Aber das hat nichts mit Streit zu tun, sondern ist ein Zeichen von Freude.“ Mabruk bittet um Verständnis: „Die deutschen Benimmregeln müssen wir erst lernen.“ Und dazu gehört unter anderem auch: Ein Mann darf seine Frau auf gar keinen Fall schlagen. Mabruk erlebt das unter den Flüchtlingen manchmal anders.

Mit Blick auf dieses Unrecht spricht er von Drohungen, von Grenzen, die man den Asylbewerbern aufzeigen müsse. Er wird gegenüber den Flüchtlingen sehr deutlich: „Wer sich nicht an das deutsche Gesetz hält, der muss wieder gehen.“ Die Mitarbeiter sollten sich nicht auf Diskussionen einlassen. „Im Arabischen gibt es zwar das Wort ‚aber‘ nicht, dennoch haben wir es im Blut.“ Die Kinder im Nahen Osten würden vor allem autoritär erzogen - und wüssten deswegen nur mit einer gewissen Strenge umzugehen.

Neben den Grenzen, die aufgezeigt werden sollen, findet es Mabruk wichtig, „den Flüchtlingen die Illusionen zu nehmen“. Einige würden mit völlig falschen Vorstellungen kommen. Sie erwarten bei ihrer Ankunft in Deutschland ein teures Auto oder ein Einfamilienhaus. Und sind dann über die Realität enttäuscht. Aber woher kommen diese Erwartungen? „Von Facebook“, hat Mohamed Mabruk die Antwort sofort parat. Bereits in Deutschland angekommene Landsmänner präsentieren sich in dem sozialen Netzwerk mit Fotos vor fremden Luxuswagen und Villen, die nicht ihnen gehören. Mabruk: „Die Geschichte mit der Ehre und dem Stolz ist eine ganz schlimme Geschichte.“