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Geschichte Keine Spur von Friedhof und Lazarett

Der Loburger Udo Geißler beschäftigt sich weiter mit der Erforschung des Kriegsgefangenenlagers Stalag XI-A Altengrabow.

Von Bettina Schütze 24.07.2018, 07:00

Dörnitz/Lübars l Dazu knüpfte er Kontakte in die Niederlande. Von dort erhielt er jetzt den Bericht eines Kriegsgefangenen über einen Besuch bei den niederländischen Gefangenen vom 8. bis 10. September 1944 im Stalag XI-A. „Der Bericht gibt einen Einblick in das Leben der Kriegsgefangenen. Er wirft aber auch einige Fragen auf. Zum Beispiel nach dem Russenlager bei Lübars“, so Udo Geißler. Von diesem ist heute nichts mehr zu finden. Auch ein Vor-Ort-Termin mit Gerd Micklich von der Heimatstube Lübars brachte dazu keine neuen Erkenntnisse.

Udo Geißler: „Das Lager befand sich wahrscheinlich östlich der Munitionsanstalt (Muna). In der Nähe soll sich ein See befunden haben. Auf einer alten Karte ist er als ,Röte Pfuhl’ bezeichnet.“ Auf späteren Karten ist von diesem See nichts mehr zu sehen. Auch der Bericht von Legationssekretär B. Gavreil vom 11. Oktober 1944 gibt darüber keinen Aufschluss.

Laut einem Rückführungsbericht, unterschrieben von J. A. Langeveld, Kriegsgefangener Nummer 103.014, gab es zwischen dem Lager Groß-Lübars und dem Stalag XI-A Altengrabow eine Munitionsanstalt. Das Lager Groß-Lübars war etwa drei Kilometer vom Stalag XI-A entfernt. Reste der Muna sind bis heute im nordwestlichen Teil auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Altengrabow zu finden. Das Zweiglager Groß-Lübars, vermutet Udo Geißler, muss also in weiter in westlicher Richtung gelegen haben.

Die Reise ins STALAG XI-A wurde am 8. September 1944 von Torgau aus angetreten. Begleit-offizier war Rittmeister von Frankenberg vom Oberkommando der Wehrmacht, Abteilung Kriegsgefangenenwesen. Nach den Besuchen verschiedener Arbeitskommandos, in denen sich niederländische Kriegsgefangene befanden, ging es am 10. September 1944 weiter zum Besuch des STALAG-Hauptlagers in Altengrabow und dem Zweiglager im nahegelegenen Groß-Lübars. Dort befanden sich insgesamt 244 niederländische Kriegsgefangene, hauptsächlich Unteroffiziere.

Nach einem kurzen Gespräch mit dem Lagerkommandanten, Oberst Nieter, über die allgemeinen Verhältnisse im Lager, hatte der Vertreter Gelegenheit, auch mit dem Vertrauensmann des Arbeitskommandos 298/1 Friedenau, in dem 13 niederländische Kriegsgefangene mit verschiedenen Arbeiten in einem Lazarett beschäftigt waren, zu sprechen. Unter der Führung des niederländischen Hauptvertrauensmannes Jan van der Linden, Kriegsgefangener Nummer 104 212, erfolgte anschließend die Besichtigung des Haupt- und Zweiglagers.

Im STALAG-Zweiglager Groß-Lübars, so wurde laut dem Bericht geäußert, „ginge es bezüglich der Verpflegung nunmehr“. Über den Empfang der Liebesgabepakete wurde von den Vertrauensleuten angegeben, dass die Anzahl der Pakete bisher ausreichend gewesen sei. Der Hauptvertrauensmann brachte aber seine Angst bezüglich der zukünftigen Regelung der zusätzlichen Pakete zum Ausdruck, da Privatpakete aus den Niederlanden nicht mehr ankämen und für die Kriegsgefangenen jetzt nur noch ein amerikanisches Paket vom Monat und Mann ausgegeben werden konnten.

Die meisten niederländischen Kriegsgefangenen in diesem STALAG waren in Zivilkleidung in Kriegsgefangenschaft gekommen. Sie hatten damals eine französische Uniform, auf der als Nationalitätsbezeichnung eine kleine niederländische Flagge angebracht war, erhalten. Der Zustand der Uniformen und Schuhe war schlecht, wenn sie auch 30 Prozent Schuhe als amerikanische Liebesgaben erhalten hatten. Die Arbeitszeit betrug 60 Stunden pro Woche. Für die geistliche Betreuung der niederländischen Kriegsgefangenen gab es im STALAG einen niederländischen katholischen Pfarrer, der nur selten die Arbeitskommandos aufgesuchte, da ihm durch eine Verfügung des Oberkommandos der Wehrmacht das Übernachten in den Arbeitskommandos aus Abwehrgründen untersagt war.

Im Lazarett des Zweiglagers Groß-Lübars befanden sich durchschnittlich 3000 erkrankte Russen und Italiener. Pro Tag starben durchschnittlich zehn Mann. Laut Rückführungsbericht wurden die Leichen der Russen in einem Massengrab in Packpapier eingewickelt. Die Italiener wurden in separaten Särgen und mit militärischen Ehren in Särgen begraben. Am 16. September 1947 begannen in Altengrabow unter der Leitung von Oberst Piljugin die Exhumierungsarbeiten. Aus einem Bericht einer Kommission geht hervor, dass sich die Grabstätte Nummer 1 südöstlich von den Gebäuden des Truppenübungsplatzes befand und aus 6,5 doppelten Gräberreihen, die etwa acht Meter auseinander lagen, befand.

Jede Gräberreihe hatte eine Länge von bis zu 102 Metern. Die Gesamtfläche wurde mit 6600 Quadratmetern ausgewiesen. Die Grabstätte Nummer 2, wahrscheinlich der Russen-Friedhof „Altengrabow-West“, befand sich etwa zwei Kilometer südwestlich von Altengrabow. Sie entsprach in etwa der gleichen Anlage wie die Grabstelle 1. Außerdem wurden im Rahmen dieser Arbeiten auch noch 197 Einzelgräber gefunden. Diese Fakten hatte Toni Haderer aus Zerbst herausgefunden. Danach muss sich der Russen-Friedhof „Altengrabow-West“ in der Nähe von Groß-Lübars, zwischen Groß-Lübars und Altengrabow, aber nicht auf dem Gelände der ehemaligen Munitionsanstalt, irgendwo entlang der Straße nach Altengrabow befunden haben, schlussfolgerte E. van der Most aus Gouda/Niederlande. Auch hier blieb die Suche vor Ort von Udo Geißler erfolglos.

Groß-Lübars war kein Arbeitslager, sondern ein Lager für arbeitsunwillige niederländische Kriegsgefangene und Lazarett für Russen und Italiener. Historiker Paul Kannmann erwähnte in seinem Buch „Das STALAG XI-A Altengrabow 1939 – 1945“ ein Lazarett für russische Kriegsgefangene im Lager Groß-Lübars. Das unabhängige Zweiglager Groß-Lübars wurde dort aber nicht genannt. „Es war wohl bis vor kurzer Zeit sogar für lokale Historiker unbekannt“, vermutet deshalb E. van der Most. So sei lange angenommen worden, so E. van der Most weiter, dass Groß-Lübars ein Teil des STALAG XI-A gewesen sei. „Es gehörte zum Hauptlager STALAG XI-A Altengrabow, aber war laut Bericht der Schwedischen Gesandschaft ein sogenanntes Zweiglager.“ Udo Geißler wird, wie er sagt, weiter nach dem Friedhof und Lazarett forschen.