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Gewalt Ein gefährliches Zuhause

Jede dritte Frau erfährt in ihrem Leben Gewalt. Besonders häufig geschieht das in Beziehungsverhältnissen - auch im Jerichower Land.

Von Susanne Klose 25.11.2018, 00:01

Burg/Genthin l Nina lebt in einer Ortschaft im Jerichower Land, vielleicht in Genthin, vielleicht aber auch in Möser. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder. Nachts, wenn die Kinder schlafen, liegt Nina oft wach. Besonders dann, wenn sie den Haustürschlüssel hört. Denn Ninas Mann ist gewalttätig - auch, wenn er nicht handgreiflich wird.
"Es gibt psychische Formen von Gewalt", erklärt Andy Martius, "dabei wird die Frau rhetorisch erniedrigt." Martius ist Vorstandsmitglied des Regionalverbands des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Magdeburg-Jerichower Land. Die Frauenberatungsstelle des DRK in der Alten Kaserne in Burg ist eine der wenigen Anlaufstellen für Frauen im Kreis, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind.
So wie Nina. Ihre Person existiert nicht wirklich, ihr Schicksal dagegen schon: Eine EU-weite Studie belegt, dass jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erfährt. Allein in Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr 3806 Fälle von Gewalt in engen sozialen Beziehungen verzeichnet worden, davon insgesamt 3145 gegen Frauen. Im Bereich der Polizeidirektion Nord, zu dem das Revier am Standort Burg gehört, waren es 1764 Fälle.
Bei den vier Beratungsstellen der Landesintervention und -koordination bei häuslicher Gewalt und Stalking (LIKO) sind in 2017 in Magdeburg, Halle, Stendal und Dessau 813 Personen wegen häuslicher Gewalt beraten worden, in 94 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen.
Für die Betroffenen im Landkreis betreibt seit über 20 Jahren der Regionalverband des DRK das Frauenhaus in Burg - das einzige Frauenhaus in der Region Jerichower Land, mit sechs Plätzen. Das Haus in Genthin war Ende 2016 geschlossen worden. "Es wurde immer deutlicher, dass mit dem Frauenhaus in Burg der Bedarf im Landkreis ausreichend gedeckt ist", erläuterte der zuständige Fachbereichsleiter des Christlichen Jugenddorfwerkes (CJD), Mirko Punken-Meichsner, gegenüber der Volksstimme Anfang des Jahres.
Allein in 2016 fanden im Burger Frauenhaus insgesamt 28 Betroffene Zuflucht vor häuslicher Gewalt. Oft scheuen sich die Frauen, direkt in die Einrichtung zu ziehen. "Bevor eine Frau in das Frauenhaus geht, ist meist schon viel passiert. Wir sprechen von einer ,Spirale der Gewalt'", erklärt Martius. Manchmal täten die Opfer das Verhalten des Partners als einmaligen Ausrutscher ab. Dazu käme noch die häufig starke Bindung zum Partner, besonders wenn es gemeinsame Kinder gebe. Oft empfänden die Frauen auch Scham, weil sie es nicht alleine aus der gewalttätigen Beziehung geschafft haben. "Häusliche Gewalt ist nach wie vor ein Tabuthema", so das Vorstandsmitglied des Regionalverbands.
Für den Gang zur Frauenberatungsstelle brauche es häufig einen direkten Auslöser, beispielsweise wenn das Kind die Tat sehe, so Andy Martius. "Die Beratung bei uns vor Ort geschieht anonym." Nicht jede Frau entscheide sich dann auch, den Partner zu verlassen. Manche fänden öfter den Weg in die alte Kaserne, bevor sie den entscheidenden Schritt wagen.
Was passiert, wenn die Plätze im Frauenhaus Burg belegt sind? "Dann wird mit Unterstützung der Polizei ein anderes Frauenhaus mit freien Kapazitäten in der Region gesucht", erklärt Karina Cleve, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises. Sie ist in der Verwaltung für die Themen rund um Frauen, Familie, Gewalterfahrungen und Kinderschutz zuständig.
Am Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wird Karina Cleve zusammen mit anderen Gleichstellungsbeauftragten im Landtag Sachsen-Anhalt eine Fahne hissen. "Damit zeigt der Landkreis ,Flagge' für das Thema", so Cleve. Diese und andere Aktionen, wie der Weltmädchentag sollen Frauen Mut machen und auch Kinder und Jugendliche schon frühzeitig in ihrem Selbstbewusstsein stärken. Das ist das Grundanliegen der Gleichstellungsbeauftragten: Sich gegen Gewalt an Frauen und Mädchen und für Gleichberechtigung einzusetzen - nicht nur am 25. November.