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Gleisbaucamp Zukunftschancen im Königsborner Gleisbett

Die DB Bahnbau Gruppe in Königsborn bot erstmalig das zweitägige Gleisbaucamp für Geflüchtete an.

Von Juliane Just 18.08.2016, 06:00

Königsborn l Auf dem Gelände der Deutschen Bahn rattert, schleift und hämmert es aus allen möglichen Ecken. Unter das tägliche Arbeitsvolk mischten sich gestern und heute 13 junge Syrier, Afghanen und Iraner, um den Beruf des Gleisbauers kennenzulernen. Im zweitägigen Gleisbaucamp der Deutschen Bahn durften sie mit anpacken, lernten das technische Know-how eines Tiefbauers und tüftelten an den Gleisen.

Das Pilotprojekt der Deutschen Bahn mit Geflüchteten ist einmalig in Deutschland. „Es gibt ähnliche Projekte, aber in dieser Form ist es eine Neuheit“, erklärt Fiene Schölla, Ausbildungskoordinatorin der DB Bahnbau Gruppe. In den vergangenen Jahren wurde das Gleisbaucamp für Schüler angeboten, nun auch für Flüchtlinge. „Wir wollten uns selbst an das präsente Thema herantasten“, so Schölla.

Der Afghane Fardeen Ghanzada ist einer der 13 Teilnehmer des Gleisbaucamps. Nach einem Hochschulabschluss als Ingenieur in Afghanistan kennt er sich mit der Materie grundlegend aus. „Ich bin seit eineinhalb Jahren in Deutschland und möchte gern eine Ausbildung zum Gleisbauer beginnen“, erzählt er. Sein Abschluss aus seinem Herkunftsland kann ihm dabei behilflich sein.

Als es zum praktischen Teil an den Gleisen geht, ist Fardeen Ghanzada der erste, der an die Maschine darf. Mit einer Schraubmaschine, im Gleisbaujargon „Robel“ genannt, löst er auf einer Übungsstrecke die Schienen und verspannt sie anschließend wieder. Vorsichtig, aber hochkonzentriert bewegt der 23-Jährige das technische Gerät über die Gleise. Zur Halbzeit des ersten Tages sagt er: „Es macht viel Spaß, ist aber auch anstrengend.“

Die zukünftige Ausbildung könnte für alle Teilnehmer des Camps nicht nur ein Traum sein. „Wer an dem Camp teilnimmt und eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn anstrebt, hat gute Chancen“, sagt Mary Freimann, Teamleiterin im Ausbildungszentrum. So könnten die Geflüchteten über ein Praktikum über das Sozialprojekt „Einstiegsqualität Plus Plus“ beginnen. Dabei werden neben dem Praktikum fachliche und sprachliche Kompetenzen geschult. „Langfristig ist das eine gute Alternative für eine Ausbildung“, erklärt sie.

Der 21-jährige Hamid Nouredarvishali aus dem Iran ist ganz neu in dem Berufsfeld des Gleisbauers. „In meiner Heimat habe ich neben der Schule als Apotheker gearbeitet“, erzählt er. Seit acht Monaten ist er in Deutschland und möchte nun arbeiten. „Eine Ausbildung als Gleisbauer kann ich mir definitiv vorstellen“, sagt der 21-Jährige. Er freue sich, diese Gelegenheit bekommen zu haben.

Für das Team der DB Bahnbau Gruppe war die Premiere des Gleisbaucamps ein hoher zeitlicher Aufwand. „Wir haben drei Sprachmittler besorgt und auch beim Mittagessen auf die Gepflogenheiten der Geflüchteten geachtet“, erzählt Fiene Schölla. Doch meist bräuchten die jungen Freiwilligen gar keinen Übersetzer und würden mit den Ausbildern auf Deutsch sprechen.

Die Arbeit eines Gleisbauers ist vor allem eins: anstrengend. „Interessenten sollten vor allem wetterfest sein“, sagt Ausbilder Andreas Martin. Denn die Arbeit findet oftmals im Freien statt. Desweiteren sollte auf die Freizeitgestaltung geachtet werden: „Wir arbeiten immer dann, wenn andere schlafen oder feiern gehen.“ Gleisarbeiten sind an Nacht- und Feiertagsschichten durch weniger Bahnverkehr besser realisierbar.

An diese Arbeitszeiten könnten sich Ahmad Al Motlak aus Syrien nach eigener Aussage gewöhnen. „Ich habe mich angepasst an die Voraussetzungen in Deutschland“, sagt er. „Ich möchte unbedingt arbeiten, das ist das Wichtigste für mich.“ Der 23-Jährige lebt seit einem Jahr in Deutschland und ist gelernter Rettungsassistent und Krankenhelfer. Die Arbeit als Gleisbauer mache ihm viel Spaß, eine Ausbildung wäre der große Traum.

An beiden Tagen sind die Geflüchteten von 8.30 bis etwa 15 Uhr im Einsatz, um die Facetten des Berufsbildes kennenzulernen. Die jungen Herren reisten dafür aus Magdeburg, Genthin und Gräfenhainichen per Bahn an. „Man merkt den Teilnehmern die Begeisterung für die moderne Technik an“, erzählt Ausbildungskoordinatorin Fiene Schölla. Die Fachbegriffe Schiene, Schwelle und Koffer werden nach den zwei Tagen Arbeit keine Fremdwörter mehr für die Teilnehmer sein.

Ein positives Fazit konnten die Veranstalter des Gleisbaucamps bereits zur Halbzeit des Pilotprojektes ziehen. „Die Teilnehmer sind sehr aufmerksam und interessiert“, erzählt Schölla. Die sprachlichen Barrieren seien schnell überwunden worden. Die Geflüchteten zeigten sich sehr arbeitswillig und dankbar für die Chance. „Wir werden das Projekt nach jetzigem Stand weiterführen“, fügt die Ausbildungskoordinatorin an.

Im Oktober steht ein weiteres Gleisbaucamp für Schüler an, für das sich Interessenten noch bis zum 16. September bewerben können (siehe Infokasten). Die Chance auf eine Ausbildung haben am Ende alle Teilnehmenden. „Wir suchen weiterhin Gleisbau-Auszubildende für das Jahr 2017“, berichtet Schölla. „Alle Bewerbungen werden dabei gleich behandelt, egal aus welchem Land der Bewerber kommt.“ So werden die Azubis in spe vor allem an ihrer Qualifikation gemessen. Das zweitägige Gleisbaucamp ist demnach ein Schritt in Richtung Zukunft für alle Teilnehmenden.