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Heimerziehung Offenheit soll helfen, Bild zu ändern

Eine Tafel erinnert an die wechselvolle Geschichte von Gut Lüben bei Burg seit 1913.

Von Andreas Mangiras 19.06.2017, 01:01

Burg l „Ich freue mich, dass es nach langem Hin und Her zu dieser Tafel gekommen ist“, sagte Volkmar Jenig. „Es ist ein wichtiger Schritt in die Öffentlichkeit. Es ist wichtig für Burg. Wir wollen das Bild ändern. Die hier einsaßen, waren keine Kriminellen.“

Der Leipziger war von 1968 bis 1971 im Jugendwerkhof Burg. Seit zwei Jahren hat er die Organisation von Ehemaligen-Treffen in Burg übernommen.

Schon seit etwa 1995 habe es im Corneliuswerk Überlegungen gegeben, die Geschichte des Gutes aufzuarbeiten, erinnerte sich dessen Geschäftsführer Stefan Böhme. Zunächst sei das ehrenamtlich geschehen. Große Verdienste habe dabei Jürgen Müller, der eine Chronik erarbeitete. Seit einem Jahr sei in Zusammenarbeit mit der Dachstiftung Diakonie in Hannover wissenschaftlich an einer Erinnerungstafel gearbeitet worden.

Für deren Inhalt hatte maßgeblich Dr. Steffen Meyer die Geschichte des Gutes untersucht. Über die verschiedenen gesellschaftlichen Systeme hinweg hätte in Burg seit 1913 bis in die 1980er, teils 1990er Jahre die Erziehungsarbeit „ein Menschenbild geprägt, das auf Arbeit ausgerichtet war und das Gewalt in der Erziehung als legitim ansah“, betonte Dr. Meyer. Das betraf die Kaiserzeit und Weimarer Republik ebenso wie die NS- und DDR-Zeit. In der NS-Zeit sei eine paramilitärische Erziehung dazu gekommen. Es habe damals nachweislich Zwangssterilisationen gegeben.

Von 1945 bis 1948 hätte hier die Rote Armee Lazarett und TBC-Station betrieben. Parallel seien auf dem Gelände Jugendliche untergebracht gewesen. „Das ist einzigartig in der Geschichte dieser Einrichtungen“, so der Wissenschaftler.

In der DDR hätte es zunächst „noch pädagogische Ideale“ für eine Ausrichtung auf Erziehung und Berufsausbildung gegeben. Zunehmend seien die Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren aber systematisch als billige Arbeitskräfte eingesetzt worden, um das Soll in der Wirtschaftsproduktion hiesiger Betriebe erfüllen zu können. „Heute geht Jugendhilfe ganz anders, weil sich das Menschenbild geändert hat“, hob Dr. Meyer hervor.

Als ein „wichtiges Stück Erinnerungskultur für unsere Stadt“ hat Burger Bürgermeister Jörg Rehbaum (SPD) die Aufarbeitung der Geschichte von Gut Lüben und die Erinnerungstafel bezeichnet. Bei einem Treffen mit der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Birgit Neumann-Becker, und Landrat Steffen Burchhardt (SPD) sei man sich über die Bedeutung dieser Aufarbeitung einig gewesen.

„Es geht einem sehr nahe“, sagte Rehbaum mit Blick auf die Gespräche mit ehemaligen Insassen des Jugendwerkhofes Burg. Er war einer von über 30 und der größte seiner Art in der DDR. An deren jüngstem Treffen hatte er Anfang des Monats erstmals teilgenommen.

„Wichtig für mich ist, dass die Geschichte des Gutes von Anfang bis Ende erzählt wird“, betonte Rehbaum. Er sei dem Corneliuswerk „sehr dankbar, wie hier heute im Gegensatz zu früher junge Menschen ins Leben begleitet werden“.