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Historisches Möckern Unter der Grasnarbe ruhen die Antworten

Im Boden der Region bei Möckern, in der Wiesenhof bauen will. ruhen Erinnerungen an das Gefecht bei Möckern im April 1813.

Von Stephen Zechendorf 04.04.2018, 06:00

Möckern l Die Anträge sind längst gestellt, die Änderung des Flächennutzungsplanes wurde im Stadtrat behandelt und Zeichnungen für den Stall-Neubau liegen vor. Nur was unter der Grasnarbe bei Landhaus Zeddenick schlummert, das weiß keiner.

Im Rahmen der Anhörung von Behörden, welche immer vor solchen Bauvorhaben anläuft, hat das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt daher auf die Bedeutung des Areals im Zusammenhang mit dem Gefecht von Möckern im April 1813 hingewiesen. „Der geplante Bauplatz liegt genau in dem Gebiet, in dem ein Teilgefecht der Befreiungskriege bei Zeddenick stattgefunden hat“, erklärt der für das Jerichower Land zuständige Gebietsreferent des Landesamtes, Dr. Donat Wehner. Vehlitz, Dannigkow und Zeddenick waren die „Hotspots“ der damaligen Kämpfe zwischen den alliierten Truppen, die Napoleons Heer zurückdrängten. Dieser moralische Erfolg mündete letztlich in der Völkerschlacht.

Sollte also tatsächlich der Bau der Legehennen-Anlage zwischen Ziepel und Vehlitz erfolgen, dann sind vor den Baggern vermutlich die Kollegen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie vor Ort. Bisher wurde dort aber noch nicht gegraben. Sobald es die Witterungsverhältnisse zulassen, wird ein ehrenamtlicher Mitarbeiter den betreffenden Bereich begehen und mögliche Funde melden, sagt Donat Wehner.

Dass hier Hinweise auf das Kampfgetümmel zu finden sind, ist nicht ausgeschlossen. „In dem flachen, freien Areal war ausreichend Platz, um etliche Soldaten aufmarschieren zu lassen“, so Wehner. „Es ist überliefert, dass viele gefallene Soldaten im Gelände in Sammelgräbern verscharrt worden sind.“ Makaber, aber ebenfalls überliefert: Die Knochen der armen Soldaten wurden nur wenige Jahrzehnte später wieder ausgebuddelt, um in die Knochenmühlen geschafft zu werden, berichtet Wehner. Im Hallenser Amt weiß man, dass vor einigen Jahren Bürger bei Vehlitz ein altes Massengrab mit gefallenen Soldaten gefunden haben. In den preußischen Urmesstischblättern, jener ersten kartografischen Vermessung durch die Preußen Mitte des 19. Jahrhunderts, wird das Areal als „Totschlag“ benannt.

Was erwarten die Archäologen, bei Zeddenick und Vehlitz zu finden? „Schwerpunkte der damaligen Gefechte“, umreißt es der Archäologe. Es geht etwa darum, die damalige Gefechtsdynamik nachzuempfinden. Der Aspekt der Schlachtfelduntersuchung sei aus archäologischer Sicht noch relativ neu, und die historischen Schriften nicht immer zuverlässig. Wehner nennt ein Beispiel aus einem ganz anderen Gefecht: Hieß es in den ersten Überlieferungen von General Custers großem Kampf am „Little Big Horn“, dass die Männer heldenhaft bis zum letzten Mann tapfer den Indianern Widerstand geleistet hätten, so lassen archäologische Funde heute eher auf panische Soldaten schließen, die so beeindruckt von der gegnerischen Übermacht waren, dass sie keinesfalls all ihre Kugeln abfeuerten.

Die Wissenschaftler aus Halle interessieren sich auch dafür, wie die Militärfeldlager während der Befreiungskriege strukturiert waren, wie sie funktionierten, wie sie mit Nachschub beliefert wurden. „Da haben wir bisher fast gar nichts.“ Natürlich gäbe es historische Berichte über das Lagerleben, aber die seien teils widersprüchlich. „Da kann nur die Archäologie helfen“, sagt Donat Wehner.

Zu dem, was die Wissenschaftler bisher zum Thema Befreiungskriege aus der Erde bei Möckern und Gommern geborgen haben, zählen zahlreiche Musketenkugeln, Uniformknöpfe und Waffenbestandteile. Aus der Ehle bei Vehlitz wurde einst eine Kanonenkugel geborgen. Einige dieser Funde können in der Heimatstube 1813 im Schloss Möckern bewundert werden.

Nur wenn der Bau der Legehennen-Anlage erfolgt, werden die Archäologen vor Ort in größerem Ausmaß tätig. Behutsam muss dann vorgegangen werden, denn das, was gesucht wird, schlummert direkt unter der Erde. „Bei Schlachtfeldern können wir nicht einfach den Oberboden abziehen, weil dann das ganze Schlachtfeld weg ist. Man darf hier nicht tiefer als in die Humusschicht gehen, um Fundzusammenhänge zu erhalten“, beschreibt der Hallenser Archäologe die Arbeit der Grabungen.

Über die anfallenden Kosten und die dann erforderliche Zeit der Grabungen kann der Referent aus Halle zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen machen. Fällt der Neubau aus, würde – auch wenn die Suche des ehrenamtlichen Mitarbeiters erfolgreich sein sollte – das Areal unangetastet als Fundort in den Akten geführt werden.

Dr. Donat Wehner nennt das Problem mit Raubgräbern und illegalen Sondengängern: „Oft sieht man danach die Löcher, wenn jemand etwas gefunden und mitgenommen hat. Vielen ist vielleicht gar nicht bewusst, dass sie etwas Verbotenes tun.“

Wer mit Zustimmung des Landesamtes die stummen, metallenen Zeugen der Vergangenheit mit einer Sonde aufspüren möchte, benötigt dafür eine Erlaubnis. Entsprechende Antragsformulare können auf der Internetseite des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie heruntergeladen werden. Im Falle einer Eignung wird dem Bewerber ein erfahrener ehrenamtlicher Mitarbeiter zur Seite gestellt. Bewährt sich der Anwärter, könnte er künftig zu den Ehrenamtlichen zählen. Etwa 20 gibt es zurzeit im Landkreis Jerichower Land. Doch die Aufgaben sind weit vielfältiger, als nur mit der Sonde auf dem Acker nach Metall zu suchen. Auch Beobachtungen der Arbeiten bei Baustellen gehören dazu.