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Ident-System Neue Abfallgebühren sind jetzt amtlich

Ab März gibt es im Jerichower Land ein neues Abfall-Entsorgungssystem, bei dem jede einzelne Tonnenentleerung per Chip erfasst wird.

Von Falk Heidel 09.12.2016, 05:00

Burg l Es war eine schwere Geburt. Heftig debattiert wurde die neue Gebührensatzung. Sie tritt ab März in Kraft und unterscheidet sich deutlich vom aktuellen Abrechnungssystem. Künftig werden die Menschen im Jerichower Land jährlich zwei Abrechnungen erhalten, ähnlich wie bei den Stromkosten. Zunächst werden die Grundgebühren kassiert. Später erfolgt eine Jahresrechnung, die alle Leerungen berücksichtigt.

Einzelheiten werden im Abfallkalender des Landkreises veröffentlicht. Landkreis-Sprecherin Claudia Hopf-Koßmann rechnet damit, dass die Broschüre am 18. Dezember in den Briefkästen liegen wird: „Zudem haben wir einen Extra-Flyer erstellt, der viele Fragen zu den Gebühren beantwortet. Auch der wird an alle Haushalte verteilt.“

Im Kreistag am Mittwoch gab es eine fast zweistündige Debatte rund um die Themen Abfall und Gebühren. Einige der 25 Beobachter auf der Zuschauertribüne hätten im Rahmen der Einwohnerfragestunde gern mitdiskutiert – sie durften aber nicht. Grund: Per Gesetz ist geregelt, dass Einwohner lediglich zu Themen gehört werden dürfen, die nicht auf der Tagesordnung der Sitzung stehen. Kreistagsvorsitzender Matthias Fickel: „Wir sind an dieses Gesetz gebunden. Würden wir dagegen verstoßen, wären die Beschlüsse rechtlich angreifbar.“

Als ob das Thema Müllgebühren nicht schon kompliziert genug wäre – sorgte die CDU mit drei Eilanträgen für zusätzliche Konfusion.

Antrag 1: Der Anteil des Landkreises an den AJL-Gewinnen soll in die Kostenrechnung der Abfallentsorgung einfließen (nicht in den allgemeinen Haushalt), um die Gebühren zu senken – angenommen!

Antrag 2: Der Anteil für die Verwaltung innerhalb der Abfall-Kostenrechnung soll auf die bisherigen 750 000 Euro eingefroren und nicht wie geplant auf 930 000 Euro angehoben werden – abgelehnt!

Antrag 3: Die Kosten für jede einzelne Entleerung der schwarzen Tonne sollen nicht 3,16 Euro betragen (so steht es in der Satzung), sondern auf 3,60 Euro angehoben werden. Im Gegenzug soll die Grundgebühr leicht sinken – abgelehnt!

Die große Debatte im Kreistag nahm zeitweise groteske Züge an. Auf den Punkt brachte es Andreas Fischer (Wählergemeinschaft): „Bei der Vermischung mehrerer Themen sollten wird darauf achten, dass wir den Überblick nicht verlieren.“ Zuvor gab es einige Stimmen, die nicht inhaltlich diskutieren wollten, sondern einfach Frust ablassen. Beispiel dafür ist Wolfgang März (CDU) über das neue Ident-System: „Wir sind nicht in der Lage, diesen Blödsinn zu erklären. Familien mit Kindern zahlen künftig mehr. Ich fühle mich hinters Licht geführt. Es wird ein riesigen Theater in den Mehrfamilienhäusern geben.“

Tatsächlich gibt es zu den Wohnblocks noch reichlich ungeklärte Fragen. Bisher gibt es noch kein Konzept, wie das Verursacherprinzip auf die Mieter von Mehrfamilienhäusern übertragen werden kann. Bekommt jeder Mieter künftig eine abschließbare Tonne?

Obwohl das neue Ident-System reichlich Kritik bekam, erhielt die entsprechende Satzung im Kreistag nach einer ansonsten ungewöhnlichen namentlichen Abstimmung eine deutliche Mehrheit. Während die Wählergemeinschaften/FDP sowie die SPD fast durchgängig zustimmten, war die CDU uneinig, ebenso die Linke.

Das wochenlange Desaster des Kreistages in dieser Abfall-Debatte charakterisierte Klaus Bock (Wählergemeinschaft) treffend: „Welchen Eindruck müssen die Menschen von der Zerrissenheit in diesem Kreistag haben. Da werden Dinge in Ausschüssen beschlossen und am nächsten Tag wieder gekippt. Ich schäme mich für das Bild dieses Kreistags.“

Steffen Burchhardt (SPD-Landrat): „Gut, dass die Gebührensatzung beschlossen ist. Wir haben später immernoch die Möglichkeit, gewisse Unwuchten auszugleichen. Auch ich bin der Meinung, dass unsere Anteile an den Gewinnen der AJL in die Kalkulation fließen soll, um die Gebühren zu senken.“

 

Wolfgang Bernicke (Die Linke): „Was die tatsächlichen Kosten angeht, befinden wir uns derzeit im Blindflug. Wir sollten keine Utopien in die Kalkulation einfließen lassen. Außerdem frage ich mich, wo denn der Müll künftig bleibt, den wir angeblich einsparen.“

 

Bernd Girke (Landkreis): „Die Verwaltungskosten sind mit 930 000 Euro kalkuliert, können nicht geschrumpft werden. Der geringste Anteil sind Personalkosten. Der größere Anteil ist für die Technik berechnet, unter anderem Computer und Software.“

 

Kay Gericke (SPD): „3,60 Euro für eine Tonnenentleerung, wie sie die CDU fordert, ist zu viel. Wir sollten bei den aktuell berechnet 3,16 Euro pro Tonne verbleiben und wenn nötig am Jahresende nachjustieren.“

 

Matthias Fickel (CDU): „Wir wollen das Prinzip, wer Müll verursacht, muss dafür bezahlen. Bei den Wohnanlagen sind die Vermieter zuständig, nach Lösungen zu suchen. Sie brauchen aber Unterstützung vom Landkreis.“ Wichtig ist uns, dass die anteiligen Gewinne der AJL für die Reduzierung der Gebühren verwendet werden.“

 

Lutz Nitz (Grüne): „Das alte System war ein Solidarprinzip. Wir sind für ein Verursacherprinzip, das Sparsamkeit belohnt und die Schlamper bestraft. Wir sind gegen Gebühren für Grünschnitt und für eine bestimmte Anzahl an kostenlosen Biotonnen-Entleerungen.“

 

Dr. Peter Sanftenberg (CDU): „Ziel ist es, weniger Müll zu verbrennen. Denn die Verbrennung ist die teuerste Methode, den Abfall los zu werden. Daher müssen wir über das Gebührenmodell einen Anreiz zur besseren Mülltrennung setzen.“

 

Kerstin Auerbach (Die Linke): „Seit Monaten redet der Kreistag über dieses Thema, doch das Problem der Großwohnanlagen ist bis heute noch nicht geklärt. Das Gebühren-Modell enthält zu viele offene Fragen, daher kann ich dieser Vorlage nicht zustimmen.“

 

Markus Kurze (CDU): „Die Gebührensatzung hat Änderungsbedarf. Der Start in das neue System ist kontraproduktiv verlaufen. Viele Menschen fühlen sich überfordert.“

 

Dr. Michael Krause (SPD): „Wir haben das neue Ident-System beschlossen, weil das Müllaufkommen im Landkreis überproportional hoch ist. Irgendwas muss ja mit dem alten System nicht stimmen, wenn wir in den Statistiken seit Jahren trauriger Spitzenreiter sind. Es kann den Landkreis nicht angelastet werden, dass die Entsorgungskosten gestiegen sind, weil es an der europaweiten Ausschreibung kaum Teilnehmer gab.“

 

Dr. Peter Randel (Wählergemeinschaften): „Wir waren uns einig, dass wir mit einem neuen System Anreize zur Mülltrennung schaffen wollen. Danach begann eine Serie von Kardinalfehlern. Es ist der falsche Weg der Kreisverwaltung, die Zahlen erst nach der Beschlussfassung zu veröffentlichen. Einige Beschlüsse sind unter Zeitdruck zustande gekommen, die Zeche dafür zahlen die Menschen in den Wohnblöcken. Wir fordern bei den Gebühren die Solidarität mit den Familien.