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Jagd Mit Adleraugen auf Beizjagd

Die „Beizjagd“, also die Jagd mit Greifvögeln, wird nur noch selten praktiziert. Beispielsweise am Dreikönigstag in Möckern und Loburg.

Von Stephen Zechendorf 10.01.2021, 00:01

Loburg/Möckern l „Jagen mit dem Adler“ – da kommt das Kopfkino in Gang: Stolz dreht der Greifvogel am Himmel seine Kreise und kreischt der rotglühend untergehenden Sonne seine Greifvogel-Schreie entgegen...

Nein stopp, alles falsch. Die Beizjagd, um die es hier geht, findet an einem feuchtkühlen Vormittag bei Loburg statt, ohne Sonnenuntergang also, dafür viel Feuchtigkeit in der Luft. „Für das Gefieder ist das nicht gut. Dann fliegen die Adler nicht“, sagt Oliver Peipe. Der Falkner aus Rathenow ist der Einladung des Loburger Jägers Jan Blaue gefolgt, ebenso wie Dirk von Bargen aus Calau.

Mit ihren Steinadler-Damen „Frieda“ und „Hoyer“ sind die beiden Falkner am Dreikönigstag nach Loburg gekommen, um im Rahmen einer Beizjagd den Fuchsbestand zu regulieren. „Die Fähen, also die weiblichen Füchse, suchen sich jetzt ihre Territorien“, erklärt Blaue. Auch er ist früher der Falknerei nachgegangen.

Die Beizjagd ist die Jagd mit abgerichteten Greifvögeln auf freilebendes Wild in seinem natürlichen Lebensraum. Für viele Jäger ist es die fairste Art der Jagd, weil das bejagte Wild gute Chancen hat, davon zu kommen. „Vielleicht jeder fünfte bis zehnte Flug ist erfolgreich“, schätzen Jan Blaue und seine beiden Gäste.

Auf einer Öko-Brache zwischen Loburg und Kalitz soll die erste Beizjagd des Vormittages stattfinden. Die wenigen Beteiligten der Jagd verteilen sich auf etwa 200 Metern Breite. Während die beiden Falkner mit ihren Vögeln die Seiten besetzen, versuchen die anderen, Füchse und weiteres Niederwild aufzubringen. „Feldarbeit“, nennt Jan Blaue das. Tatsächlich dauert es nicht lange, und der erste Hase flüchtet vor der Treiberkette. „Adler frei“, ruft Dirk von Bargen, nimmt seinem Adler die Haube vom Kopf und lässt den Greif frei.

Der steigt nur wenige Meter in die Luft – von wegen also Kreise am Himmel ziehen. Und kreischen tut „Frieda“ auch nicht. Lautlos und knapp über dem Boden gleitet der Adler, erst kurz vor dem Haken schlagenden Hasen scheint „Frieda“ einen Salto in der Luft zu machen und landet dann im Feld. Meister Lampe jedoch kann flüchten. Falkner von Bargen geht auf seinen Adler zu, lockt ihn mit Pfiffen und Rufen. Es dauert nicht lange, dann sitzt „Frieda“ wieder auf dem dicken Lederhandschuh und bekommt die Haube übergestreift. „Adler fest“, ruft Dirk von Bargen. Erst jetzt könnte Oliver Peipe seine „Hoyer“ aufsteigen lassen, sollte er ein jagdbares Wild entdecken. Adler können es locker mit Füchsen und auch Rehen aufnehmen. Die Krallen eines Adlers können einen Fuchsschädel durchdringen, sagt von Bargen.

Doch nicht an diesem Tag. Mehrfach lassen die Falkner an dem Vormittag ihre Vögel frei, doch Füchse bekommen die Jäger nicht zu Gesicht. Dafür haben die Treiber mehrere Rehe, Hasen und Fasane zur Flucht aus dem Dickicht bewegt, doch mal sind die Hasen zu nah, mal haben die Adler noch nicht genügend Tempo aufgebaut.

„So ein Adler jagt nicht jeden Tag, er muss einen gewissen inneren Reiz haben, aber er darf nicht hungern“, sagt Jan Blaue: „Er muss quasi sagen, ich kuck mal in den Kühlschrank, was da ist.“

Immer wieder drehen die Adler nach dem Blick in den Kühlschrank ab, landen auf nahestehenden Bäumen oder dem Acker und lassen sich wieder auf den Arm des Falkners locken. Adler haben kein Interesse an weiten Flügen, wenn sie nicht müssen. Maximaler Erfolg bei minimalem Aufwand lautet die Devise. Bei kleineren Greifvögeln wie Falken ist das schon anders. Jan Blaue weiß von Falknern, die ihren schwalmenden Vogel in Ungarn oder bei Prag abholen mussten. Wohl auch für solche Situationen sind die bei der Beizjagd verwendeten Tiere besendert.

Laut Aussagen des Kreisjägermeisters im Jerichower Land, Hartmut Meyer, gibt es im Landkreis gerade mal fünf Falkner. Steffen Baumbach, Bundesgeschäftsführender des VDF schätzt, dass es in ganz Sachsen-Anhalt etwa 200 bis 300 Falkner geben wird: „Es gibt keine Pflicht für die Falkner, einem Verband beizutreten.“

Drei Falknerorganisationen gibt es in Deutschland, den „Deutschen Falkenorden“ (DFO), den „Verband Deutscher Falkner“ (VDF) und den „Orden Deutscher Falkoniere“ (ODF) (siehe Infokasten). Der Verband Deutscher Falkner ist der jüngste unter den großen Falknerverbänden Deutschlands. Er wurde nach der Wiedervereinigung 1990 in Wittenberg gegründet.

Der Deutsche Falkenorden (DFO) ist nach eigenen Angaben weltweit der älteste Falknerverband. Jäger, Ornithologen und Kulturwissenschaftler gründeten ihn im Jahre 1921 in Leipzig als „Deutscher Falkenorden“.

In der Komturei Sachsen-Anhalt des „Orden Deutscher Falkoniere“ (ODF) sind nach Angaben des Landesverbandschefs Wolfgang Mursa aktuell 26 Falkner organisiert. 2012 wurde die Komturei auf dem Klostergut Drübeck gegründet.

Es ist eine aufwendige und zeitintensive Art, mit Greifvögeln zu jagen. Das betrifft die Ausbildung von Mensch und Tier. Wer in Deutschland Falkner werden möchte, muss zusätzlich zur Jägerprüfung eine spezielle Falknerprüfung erfolgreich ablegen, um den Falknerjagdschein zu erlangen.

Die Beizvögel werden als Jungvögel vom Züchter geholt. Das Entnehmen von wilden Greifvögeln aus der Natur ist verboten. Ein Steinadler kann schon mal 4500 Euro kosten, andere Greifvögel gibt es bereits für 300 Euro. „Man muss nicht reich sein, um die Falknerei zu betreiben“, sagt Wolfgang Mursa vom ODF. Man muss sich allerdings über die Folgekosten für Futter, Haltung und Pflege der Tiere im Klaren sein.

Das Zähmen, Abrichten und Einjagen des eigenen Beizvogels ist dann noch einmal ein sensibler Prozess, bei dem der Greifvogel sich langsam an den Falkner gewöhnt. Tatsächlich „verpaart“ sich der Jungvogel mit seinem Falkner angesichts der positiven Erfahrungen, die er mit seinem Menschen macht, sagt Steffen Baumbach vom VDF.

Die 3500 Jahre alte Tradition der Falknerei ist inzwischen von der Unesco als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Der Begriff „Beize“ deutet auf das mittelhochdeutsche Wort für „beißen“ hin, aber auch auf den persischen Namen „baz“ für Falke. Die Falknerei entstand vermutlich in zentralasiatischen Steppengebieten. Im 4. Jahrhundert n. Chr. gelangte die Falknerei auch nach Europa.