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Jugendwerkhof Burg Kinder können doch nichts dafür

Der Jugendwerkhof Burg: heute ein Ort schlimmer Erinnerung. Am Sonnabend trafen sich Frauen und Männer, die hier einmal einsaßen.

Von Andreas Mangiras 05.09.2015, 18:09

Burg l An den früheren Jugendwerkhof in Burg, die größte Anstalt ihrer Art in der DDR, sollte ein Denkmal, wenigstens aber eine Gedenktafel erinnern. Das hat Roland Herrmann, Vorstand des Vereins „Kindergefängnis Bad Freienwalde“ anlässlich eines Traffens ehemaliger Insassen am Sonnabend in Burg gefordert. „Das wäre das Mindeste. Hier könnte aber auch ein Zimmer hergerichtet werden, in dem gezeigt wird, was hier junge Menschen Schlimmes durchmachen mussten“, erklärte Herrmann.

Bisher gibt es nichts davon.

Im Jugendwerkhof „August Bebel“ in Burg waren ständig knapp 300 Jugendliche untergebracht und erlebten teilweise schlimme Zeiten. Er wurde 1949 gegründet und existierte bis 1989. Dazu gehörten die Außenstellen „Neues Leben“, Blumenthal, Körbelitz, Berliner Chaussee. Die Jugendlichen mussten in Burg unter anderem im Burger Knäckewerk, in der Schuhfabrik „Roter Stern“, im Sägewerk in Küsel und Walzwerk in Burg schwere und schwerste Arbeiten verrichten.

Der Jugendwerkhof war eine Disziplinareinrichtung, die dem Ministerium für Volksbildung unterstand.

Eingewiesen wurden Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, die sich gegen die Erziehungsmethoden der Jugendhilfe und der sozialistischen Strukturen auflehnten. Es ist belegt, dass auch Jugendliche eingewiesen wurden, deren Eltern in den Augen des SED-Regimes politisch fragwürdig waren. 1989 gab es 31 Jugendwerkhöfe mit 3336 Plätzen, von denen 2607 belegt waren.

Das Treffen am Sonnabend hatte Volkmar Jenig aus Leipzig organisiert. Er war Ende der 60er Jahre im Jugendwerkhof Burg. Am Sonnabend war er wie zahlreiche andere Teilnehmer des Treffens das erste Mal wieder auf Gut Lüben an der Parchauer Chaussee.

Heute hat hier das Corneliuswerk einen Teil der Gebäude in Nutzung. Betreut werden hier Kinder und Jugendliche, junge Mütter mit Kindern. Hier ist auch die Evangelische Grundschule untergebracht. Auf einem Teil des parkartig angelegten Geländes stehen weitere, leerstehende Gebäude, einst Wohnheime, Werkstätten, Speisesaal und Arrestzellen des Jugendwerkhofes.

„Es war meine sechste Station, danach kam die politische Haft“, erzählte Jenig. 18 Jahre bis 1987 saß er nach seiner Jugendwerkshofzeit im Gefängnis, weil er gegen Staat war.

Volkmar Jenig arbeitet sein Leben derzeit auf, in dem er ein Buch darüber schreibt. „Ich besuche gerade nochmal alle Stationen, an denen ich war.“

Jenig hatte seine Kinder dabei, etwa im Alter wie er zu seiner Jugendwerkhofszeit selbst war. Am Sonnabend konnte er seine Gedanken und Empfindungen kaum in Worte fassen, als er in einer der Zellen stand, die noch fast so aussah, wie damals. „Heute Abend werde ich Kopfkino haben“, sagt er mit feuchten Augen.

Wer im Jugendwerkhof war, war oft abgestempelt. Bis heute leiden viele unter den Erlebnissen von damals. Der Staat zahlt auf Antrag und nach Prüfung Entschädigungen: 10000 Euro. „Was hier mancher erlebt hat, das ist viel zu wenig. Kinder können doch nichts dafür“, sagt Peter Müller. Mit vier kam er ins Heim, weil seine Eltern nicht klar kamen, wie er selbst sagt. Der Weißenfelser war 1978 und 1979 in Burg. „Eigentlich müssten jene zahlen, die uns das angetan haben.“