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Justiz  „Sparkassenboy“ auf Diebestour

Ein 21-Jähriger muss sich vor dem Schöffengericht Burg verantworten. Ihm werden 21 Straftaten vorgeworfen.

Von Bernd Kaufholz 23.08.2017, 07:00

Burg l Der Aktenstapel auf den Tischen der Prozessbeteiligten ist groß, und der Vorsitzende Richter hat für den Angeklagten extra eine knappe Zusammenfassung ausgedruckt, damit der 21-Jährige, der unter Betreuung steht, auch nachvollziehen kann, was ihm die Stendaler OberstaatsanwältinBrigitte Strullmeier vorwirft.

Insgesamt soll Phil M., der in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurde, 21 Straftaten begangen haben: Einbrüche, Diebstähle, Sachbeschädigungen.

Alle Anklagepunkte an dieser Stelle ausführlich zu behandeln, würden den Rahmen des Gerichtsberichts sprengen, aber auf einige soll doch näher eingegangen werden.

Da war zum Beispiel der Einbruch in den Tierpark Zabakuck. In der Nacht vom 17. zum 18. Januar dieses Jahres war der Mann, der ohne festen Wohnsitz ist, in das Gebäude der Elbe-Havel GmbH eingestiegen. Er brach Türen auf, verwüstete die Räume mit Katzenfutter und Eiern und ließ unter anderem ein Miniradio, einen Ventilator, zwei Kugelschreiber und zwei Deos mitgehen. Den Tresor bekam er nicht auf.

Dann zerschnitt er einen Maschendrahtzaun auf dem Hof und stieg in einen Citroen. Den Schlüssel hatte er zuvor aus dem aufgebrochenen Büro entwendet.

Selbst Richter Leopold schaute ungläubig, als der Angeklagte, bei dem zu befürchten war, dass er jeden Augenblick ermüdet vom Stuhl fallen könnte, von seiner anschließenden Fahrt nach Bielefeld berichtete.

Er sei mit dem Zug von Burg nach Genthin gefahren. Er habe seine Oma besuchen wollen. In Genthin habe er ein Fahrrad genommen, das nicht angeschlossen war und sich auf den Weg zur Großmutter gemacht. „Ich bin am Tierpark vorbei. Das hat mich interessiert. Ich bin dann rein.“

Ihm sei der Gedanke gekommen, zu seinem Vater, der bei Bielefeld wohnt, zu fahren.

„Sie können Auto fahren?“, fragte der Richter überrascht: „Führerschein mit 17. Aus der Probezeit bin ich raus“, so die stolze Antwort des Mannes, dem es sichtlich schwer fiel, dem Prozess zu folgen.

Er verursachte einen Auffahrunfall, fuhr allerdings weiter - und kam sogar im Wohnort des Vaters an.

M. räumte die unter „Anklagepunkt 8“ aufgelistete Tat ein. Seine Frage: „Ich habe von Stendal Nachricht wegen der Autosache gekriegt. Darf ich denn noch weiter fahren? Ich will mir doch ein Motorrad kaufen.“

Kurios auch der Doppeleinbruch in den Rewe-Markt in Magdeburg-Schilfbreite. Das erste Mal hatte sich der Dieb am 12. Februar 2017 gegen 14.45 Uhr Zugang verschafft. Abgesehen hatte er es auf Mineralwasserflaschen, die im Vorraum des Supermarkts standen. Das erste Mal lud er an jenem Sonntag 126 Halbliter- und 66 Literflaschen in einen Einkaufswagen. Er wurde von einer Passantin entdeckt, die die Polizei alarmierte. Die Beamten nahmen die Personalien des Obdachlosen auf und schickten ihn „nach Hause“.

Gut zwei Stunden später, drückte M. erneut die Schiebetür auseinander. Diesmal lud er 72 Flaschen auf. Doch auch diesmal wurde er dabei gesehen - von einem Mann, der gegenüber wohnt.

Drei Zeugen bestätigten gestern das Geschehen, das in der Anklageschrift geschildert wurde. Zwei von ihnen identifizierten zudem den Angeklagten als den Rewe-Einbrecher.

Eine Rolle spielte auch ein sogenannter Aufbackofen. Er hatte in einer Laube der Gartenanlage „In den Ruthen“ in Biederitz gestanden. In diesem Häuschen schien sich der Angeklagte ohne festen Wohnsitz im Januar 2017 ausgesprochen wohl zu fühlen. Wie die Eigentümerin am ersten Prozesstag im Zeugenstand aussagte, habe sie es nach einer gewissen Zeit, nachdem immer wieder die Tür aufgebrochen worden war, aufgegeben, Anzeige zu erstatten.

Der „Schlafgast“ hatte es sich bequem gemacht, sich von Gestohlenem ernährt, das er im besagten Mini-Ofen warm gemacht hatte und das Bett benutzt. Dabei hatte er wohl den Weg zur Toilette nicht geschafft, wie deutliche Spuren in Laken bezeugten.

Am 13. Januar ließ er den Aufbackofen gleich ganz mitgehen. Er trug ihn zur Sparkasse in Biederitz. Dort kannte er sich aus, wurden doch auf sein dortiges Konto monatlich 400 Euro Sozialleistungen überwiesen. Der Mann, der sich schmunzelnd als „Sparkassenboy“ bezeichnet - wohl der Tatsache geschuldet, dass er im Vorraum mit den Geldautomaten so manche kalte Winternacht verbracht hatte - warf dort den Elektro-Ofen an und wärmte sich eine Pizza auf. „Ich bin dann zum Essen nach draußen. Danach habe ich die Tür nicht mehr aufgekriegt. Aber der Ofen stand doch noch drin.“

Mit Gewalt verschaffte er sich erneut Zutritt und ging ein paar Schritte weiter bis zu einer Gaststätte mit Bowlingbahn. „Am Parkplatz ist eine Außensteckdose. Da habe ich mir dann noch Pommes gemacht.“ Den Ofen habe er stehen lassen. „Vielleicht wollte sich ja noch wer anderes was warm machen?“

Bei diversen Einbrüchen und Diebstählen, zum Beispiel im Biederitzer NP-Markt, bei Lidl in Burg, Edeka Biederitz, einem Baubüro in Heyrothsberge, in der Bäckerei Schäfers Magdeburg-Buckau, der Hem-Tankstelle in Biederitz und im Getränkemarkt Möser versorgte er sich mit Lebensmitteln, Tabak, Bier und Schnaps. Zum Teil warf er dabei Scheiben ein.

Der Prozess wird am 12. September fortgesetzt.