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Justizvollzug Wohnung und Job für Ex-Gefangene

Ex-Strafgefangenen sollen leichter Job und Wohnung finden. Dafür könnte eine Kooperation sorgen, die in der JVA Burg unterzeichnet wurde.

Von Falk Heidel 03.08.2017, 01:01

Burg/Magdeburg l Orangensaft, Marke gut & günstig, steht auf dem großen, ovalen Tisch im Versammlungsraum hinter den Mauern der Justizvollzugsanstalt Burg. An der Stirnseite sitzen die hochrangigsten Protagonisten des Nachmittags: Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) und Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD).

Thema des Tages sind entlassenen Strafgefangene beziehungsweise ihre Rückkehr in die Normalität. Im Vorfeld haben die ministeralen Pressestellen mehrseitige Infoblätter ausgearbeitet. Darin lesen die Journalisten von Print und Fernsehen von einem Kooperationsvertrag. Verschiedene Einrichtungen außerhalb des Vollzugs wollen jetzt daran arbeiten, jedem Ex-Knacki den Einstieg in die Gesellschaft zu erleichtern.

Im Kern geht es darum, dass sich die einzelnen Sozialdienste im Vollzug jetzt besser mit Jobcenter und Arbeitsagentur abstimmen. Ministerin Keding spricht über Menschen, die aus der Haft entlassen werden: „Sie brauchen Wohnraum, Arbeit und ein soziales Umfeld, um ihr Leben straffrei zu meistern.“

Aktuell gibt es in Sachsen-Anhalt 1670 Strafgefangene in vier Gefängnissen. Das modernste steht in Burg mit 580 Insassen (plus 15 Sicherheitsverwahrte), die von 234 Mitarbeitern „betreut“ werden. Inhaftiert sind hier Menschen, die Strafen zwischen zweieinhalb Jahren und lebenslang absitzen müssen. Ihre Nächte verbringen sie in vier sogenannten Unterbringungshäusern – ihre Tage unter anderem in der Schlosserei, der Schneiderei, der Großküche oder im Gartenbereich. 38 Häftlinge verbringen ihre 40-Stunden-Arbeitswoche in der Tischlerei. Dort schauten auch die beiden Ministerinnen vorbei, aber eigentlich nur, weil sie sich dort von den Journalisten fotografieren lassen wollten.

Interessant: Kommt ein Häftling als ausgebildeter Facharbeiter in die Werkstatt, liegt sein Stundenlohn bei gut einem Euro – macht im Monat 220 Euro. Ungelernte liegen deutlich darunter. In die Rentenkasse wird nichts eingezahlt, aber in die Arbeitslosenversicherung. Acht Häftlinge absolvieren eine Umschulung zum Holzmechaniker. Hergestellt werden in der Werkstatt meist Möbel für die Landesverwaltung. In der Schlosserei fertigen die inhaftierten Produktionsarbeiter unter anderem hochwertige Gartengrills. Einige Exemplare stehen im Eingangsbereich: 168 Euro das Stück.

Die Grundlage für ein besseres Leben nach dem Knast soll ein Vertrag bilden, den beide Ministerinnen und Kay Senius von der Bundesarbeitsagentur in Burg vor laufenden Kameras unterzeichneten. Keding: „Das wichtigste für die ehemaligen Gefangenen ist die Rückkehr in geordnete Strukturen. Dazu zählen vor allem ein Wohnsitz und eine berufliche Perspektive. Das können wir nur erreichen, wenn alle Beteiligten rechtzeitig miteinander sprechen und ihre Arbeit koordinieren.“

Eine Frage blieb in Burg ungefragt: Warum passiert das erst jetzt?

Zu den größten Problemen vor der Haftentlassung zählen Alkohol und Drogen. Keding zufolge haben 65 Prozent der Insassen damit zu tun. Zum Beispiel Crystal Meth. Das sind kleine Kristalle, die so harmlos aussehen wie Kandiszucker. Mögliche Folgen sind neben Zahnausfall epileptische Anfälle, Hirnblutungen und Herzversagen. Allerdings: Die Droge lässt sich nur schwer nachweisen.

Doch jetzt beginne die Wiedereingliederung schon während der Haftzeit. So werden jetzt erstmalig für Inhaftierte, die nicht selbstständig die Behörden aufsuchen können, Beratungsleistungen der Agentur für Arbeit in den Haftanstalten angeboten.

Die für die Entlassung notwendigen Daten werden frühzeitig zwischen den Behörden ausgetauscht. In den letzten drei Monaten vor der Entlassung beginnt die intensive Vorbereitungshase auf die Wiedereingliederung.