1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. Wenn Gewalt Sprache beherrscht

Konferenz Wenn Gewalt Sprache beherrscht

Was macht aggressive Sprache mit dem eigenen Verhalten? Fragen wie diese wurden auf einer Konferenz in Reesen besprochen.

Von Susanne Klose 19.05.2019, 08:04

Reesen l Opfer, Lauch – es sind typische Jugendbegriffe, bei denen Erwachsene nicht immer genau wissen, was gemeint ist. Zumindest beim Begriff Opfer ist ziemlich klar: Damit soll das Gegenüber abgewertet werden. Aber: „Der Begriff Opfer beinhaltet auch die eigene Angst, mal das Opfer zu sein“, erklärt Dr. Nils Schuhmacher von der Universität Hamburg bei der Demokratiekonferenz zum Thema „Gewalt in der Sprache“.

Dazu haben die Partnerschaften für Demokratie Genthin, Jerichow, Elbe-Parey, Burg und südliches Jerichower Land geladen. Rund 70 Gäste fanden den Weg in die Pfarrscheune Reesen, in der ab 16 Uhr Sprache seziert wurde – immer mit Blick auf die Auswirkungen, die das Verwenden von bestimmten Sätzen und Wortkonstruktionen nach sich ziehen kann.

Das klingt abstrakt, aber schon die Begrüßungsrede von Landrat Steffen Burchhardt (SPD) machte schnell klar: Jeder kennt Situationen in denen Sprache entgleist ist. „ Die Sprache, der wir uns bemächtigen, wird oft verharmlost“, so Burchhardt. Dabei verlaufe so manche Hassrede auch unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit.

Dies griff auch Nils Schuhmacher auf und fand deutliche Worte für die parteipolitische Landschaft: „Semantische Entgleisungen wie bei der AfD zeigen: Gewalt in der Sprache ist nicht nur ein Jugendproblem.“ Zusätzlich gebe es nicht nur die eine Jugendsprache, sondern auch diese unterliege regionalen Gegebenheiten und sei auch vom jeweiligen sozialen Status der Sprecher abhängig.

Diese benutzten Begriffe „nicht einfach so“, betonte der Sozialwissenschaftler. Dennoch müsse man unterscheiden, ob ein Begriff genutzt werden, etwa weil damit eine als schwächer empfundene Gruppe verbunden werde oder ob derjenige, der etwa „behindert“ als Schimpfwort nutze, dabei nicht direkt jemanden mit einer Behinderung degradieren wolle.

Dabei sind Beleidigungen und Mobbing gerade in sozialen Medien wie Facebook ein immer stärkeres Problem, wie auch Landrat Burchhardt betonte. „Die digitale Welt ist ein Katalysator für die Verrohung der Gesellschaft.“ Wenn stattdessen von Angesicht zu Angesicht kommuniziert werde, seien die Menschen eher in der Lage, ihre Emotionen zu kontrollieren.

Gerade soziale Medien und Messenger-Dienste wie Whatsapp führen nicht nur dazu, dass sich hetzerische Sprache schneller verbreitet, sondern auch das „Opfer“ der verbalen Attacke besser zu erreichen sei. Umso wichtiger sei es, schon Kinder dafür zu sensibilisieren.

Auch schon in den Grundschulen ist Gewalt in der Sprache schon ein ernstzunehmendes Problem, wie Ingo Doßmann, Schulleiter der Grundschule Stadtmitte Genthin, erklärt. „Schon Drittklässler spielen gewalttätige Online-Spiele, die Eltern ermöglichen ihnen den Zugang dazu.“ In der Schule selbst habe man Informationsabende zu dem Thema veranstaltet – allerdings mit mäßigem Interesse.

Für Nils Schuhmacher ist auch klar: Es müssen den harten Worten nicht immer Gewalttaten folgen. „Es gibt auch ein rituelles Beschimpfen, etwa in der Rap-Szene.“

Es gilt also auch hier: genau hinhören. Auch wenn Erwachsene nicht alles verstehen.