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Konferenz Wo ist Armut im Jerichower Land?

Wie groß ist die Armut im Jerichower Land? Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat diese Frage in Burg aufgeworfen.

Von Falk Heidel 01.05.2017, 08:00

Burg/Genthin l „Es ist ein Skandal, dass wir im viertreichsten Land der Welt von Armut reden müssen“, sagt Klaus-Dieter Gleitze. Der Geschäftsführer der niedersächsischen Armutskonferenz erklärte während seines Referats in Burg: „Wir beobachten ein Auseinanderdriften des Kits, der unsere Gesellschaft zusammenhält.“

Diese Konferenz ist ein Zusammenschluss der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, des DGB, von Verbänden und von Initiativen auf Landesebene. Laut den Erkenntnissen dieser Konferenz hat bundesweit die Armutsquote mit 15,5 Prozent ein Rekordhoch erreicht. In 13 Bundesländern habe die Armut zugenommen. Überproportionale Zuwächse weisen das Ruhrgebiet, Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern auf.

Dieter Gleitze zufolge sind Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose die am stärksten von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen. Und auch die Kinderarmut bleibt auf einem sehr hohen Niveau.“

Zahlen, die eine steigende Armut im Jerichower Land belegen, gibt es nicht. Hans-Jürgen Conrady vom Landkreis konnte sich mit Zahlen und Fakten aus seinem Haus dem Thema lediglich nähern. Er berichtete von 600 Menschen, die im Landkreis Wohngeld beziehen: „Aber nicht jeder davon ist automatisch arm.“ Zudem seien es knapp 1000 Kinder, die Leistungen aus dem sogenannten „Bildungs- und Teilhabepaket“ in Anspruch nehmen.

Interessant: Im Jerichower Land gibt es Conrady zufolge 4800 Bedarfsgemeinschaften, also Familien oder Lebensgemeinschaften, die Zuschüsse zum Lebensunterhalt bekommen. Vor zehn Jahren waren es weitaus mehr, nämlich 8000.

Geht es der Allgemeinheit also besser? Eine Antwort blieb die Diskussionsrunde schuldig.

Eine andere Rechnung macht Reinbern Erben von der Diakonie auf: „Mehr als die Hälfte der Renten liegt unter dem Grundsicherungsniveau.“ Er sagte auch: „Wenn wir heute noch kein Rentenproblem kennen, so werden wir künftig eines haben – verbunden mit einem Kaufkraftverlust, den die Städte und Gemeinden zu spüren bekommen werden.“

Allerdings: Von Altersarmut betroffen sind 0,6 Prozent der Rentner im Landkreis. Conrady: Das sind 143 Personen.

Für viele Menschen stellt sich die Frage: Wo fängt Armut an?

Laut Armutsbericht der Bundesregierung gelten Personen als armutsgefährdet, deren Einkommen unterhalb von 60 Prozent des Durchschnitteinkommens liegt. Für unser Bundesland sind das 900 Euro.

Besonders betroffen von Armut sind Jungen und Mädchen in Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil oder mit mehr als zwei Kindern, erklärt die Bertelsmann Stiftung. Von allen Kindern in staatlicher Grundsicherung lebte im vergangenen Jahr jedes zweite bei einem alleinerziehenden Elternteil und etwa jedes dritte in Familien mit drei und mehr Kindern.

Nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung sind viele der betroffenen Kinder in ihrer Entwicklung und in ihren Bildungschancen eingeschränkt. Sie hätten häufig kein eigenes Zimmer, keinen Rückzugsort für Schularbeiten und nähmen kaum oder gar kein Obst oder Gemüse zu sich. Verglichen mit Kindern in gesicherten Einkommensverhältnissen seien arme Kinder häufiger sozial isoliert, gesundheitlich beeinträchtigt und in ihrer gesamten Bildungsbiografie deutlich belasteter.