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Kultur-Krise „Ein halbes Jahr ist nichts passiert“

Künstler sind von der Corona-Pandemie besonders betroffen. Aber wie sieht es bei Personen aus, die eine Konzert-Lokalität betreiben?

Von Nicole Grandt 22.02.2021, 00:01

Burg l Bars sind geschlossen, Konzerte finden nicht statt. Die Situation ist enttäuschend für die Menschen, die gern ausgehen. Dramatisch ist sie jedoch für Menschen, die eine solche Lokalität betreiben. „Es ist schwierig im Moment“, zeigt sich Florian Kolmer besorgt. Er ist neben Stephanie Dorn einer der Betreiber der Bar „The Station“ in Burg, in der unter normalen Umständen auch Konzerte stattfinden und weitere musikalische Veranstaltungen. „Was ich problematisch finde in dieser Situation, ist, dass wir Betreiber von Bars und Gastronomie die Maßnahmen an vorderster Front mittragen. Wir sind von dem Lockdown zu 100 Prozent betroffen. Wir haben ja praktisch ein Berufsverbot, wir dürfen den Laden nicht aufmachen.“

Vor allem die wirtschaftlichen Sorgen nehmen extrem zu. „Im Herbst konnte man überall lesen, dass die Gastronomen für November große Summen ausgezahlt bekommen als Entschädigung. Bis zu 75 Prozent des Umsatzes, hieß es. Aber dann ist erstmal nichts passiert. Das war der nächste Hammer. Die finanzielle Unterstützung für November und Dezember konnte man überhaupt erst ab Januar beantragen. Nicht, dass da das Geld auf dem Konto ist, da konnte man die Anträge stellen.“

Immerhin sei etwa eine Woche nach dem Antrag dann die Bestätigung eingetroffen und etwa einen Monat später sei dann auch das Geld überwiesen worden. „Wobei die Summe bei uns eher nur ein kleines Trostpflaster war. Das hat noch nicht mal gereicht, um die Miete zu bezahlen.“ Das hätte vor allem daran gelegen, dass „The Station“ eine neue Betreibergesellschaft seit Anfang des Jahres hat und deswegen der Umsatz von Oktober 2020 die Berechnungsgrundlage war und nicht vom vorherigen Jahr. „Das kann man sich ja dann ausrechnen, dass der Wert nicht so besonders hoch war für eine Bar, die normalerweise ihr Geld durch Veranstaltungen verdient.“

Die vorerst letzte Veranstaltung in „The Station“ fand im Februar 2020 statt. Demnächst soll es eine sogenannte Neustarthilfe geben. „Dadurch gewinnt man den Eindruck, erst wurden wir entschädigt und jetzt gibt es Hilfe für einen Neustart. Aber dazu müsste es ja dann auch einen Start für uns geben. Eine Neustarthilfe bringt nicht so viel, wenn wir vielleicht den Rest des Jahres nicht aufmachen können.“

Wann „The Station“ wieder öffnen kann, weiß Florian Kolmer nicht. „Es kursieren Informationen, dass ab einem Inzidenzwert von 35 Geschäfte wieder öffnen können, aber ob wir da wiedereröffnen können, ist mehr als fraglich. Nach den Geschäften kommen wahrscheinlich erstmal die Restaurants und wir als Veranstaltungs-Lokal wohl als letztes. Ich gehe davon aus, dass wir 2021 keine Veranstaltungen haben werden. Wirkliche Informationen haben wir zu Öffnungen aber nicht, es weiß eigentlich keiner Bescheid, was passieren wird.“

Die Zukunftsaussichten für Bars und Konzert-Lokalitäten stuft er als sehr düster ein. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das viele überleben. Ich denke nicht, dass auch nur die Hälfte der Veranstaltungsbranche da durchkommt. Im Vergleich zu anderen wurde ,The Station‘ noch sanft getroffen, da wir eine recht überschaubare Miete zahlen und wir keine Angestellten haben, also wir zwei Geschäftsführer die einzigen beiden Leute sind, die hier arbeiten. Deswegen hoffe ich, dass es ,The Station‘ auch weiterhin geben wird, auch wenn wir die nächsten Monate nicht öffnen können.“

Florian Kolmer hatte eigentlich geplant, eine wei- tere Bar in Berlin zu eröffnen. „Das habe ich – jetzt rückblickend gesehen – zum Glück nicht gemacht, wenn ich mir ansehe, was ich in Berlin als Minimum an Miete hätte aufbringen müssen. Und wenn dann noch die Kosten für Angestellte hinzugekommen wären, wäre das nicht machbar gewesen.“

Durch seine Bar kann Florian Kolmer derzeit kein Geld verdienen. Er arbeitet deswegen im Impfzentrum. „Dort arbeiten momentan sehr viele Gastronomen und Menschen aus der Veranstaltungsbranche. Also eigentlich fast ausschließlich. Trotz dieser Tätigkeit sind wir aber auf staatliche Hilfen angewiesen.“ Er ist sich durchaus bewusst, dass Kontaktbeschränkungen nötig sind und der Verzicht aufs Ausgehen und auf Konzertbesuche durchaus Möglichkeiten sind, um Kontakte zu reduzieren. Kritisch sieht er allerdings den Umgang der Politik mit der Pandemie. „Die Virologen haben die ganze Zeit gesagt, dass eine zweite, heftigere Welle kommen wird, und die Politik hat nichts vorbereitet. Mir kam das so vor, als hätten sie abgewartet, ob die Pandemie vielleicht nicht so schlimm wird. Aber es wurde sich ja nicht nur nicht um die Gastronomie gekümmert, sondern auch nicht um die Schulen. Oder um genug Personal für Intensivbetten. Es war über ein halbes Jahr Zeit, und es ist nichts passiert. Und das finde ich wirklich sehr, sehr ärgerlich.“ Viele Gastronomen, die Kolmer kennt, haben inzwischen Insolvenz angemeldet. Bei hohen laufenden Kosten sei ihnen nichts anderes übrig geblieben.

Belastend ist für ihn auch die fehlende Planbarkeit. „Es macht ja niemand eine Ansage, wie es nun dieses Jahr aussieht mit Konzerten, Festivals und ähnlichem. Ich habe mich darauf eingestellt, dass wir vielleicht im Mai oder Juni mit strengen Hygiene-Maßnahmen ohne Veranstaltungsprogramm öffnen können.“ Große Umsätze verspreche er sich davon aber nicht. „Unser Geschäftsmodell funktioniert ohne Bühne kaum.“ Sorge hat er auch, dass sich die Ausgeh-Kultur durch die Pandemie verändert. „Ich befürchte, dass viele Menschen sich daran gewöhnen, etwas anderes zu machen, und dass sehr viele Lokalitäten dauerhaft geschlossen bleiben. Die Clubcommission Berlin rechnet nicht mit einem normalen Betrieb vor Ende 2022.“