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Kunst Legales Graffiti ist gern gesehen

Mit einem Graffitikünstler gestalteten Schüler 2014 das erste legale Graffiti für Gommern. Einige Motive sind seitdem hinzugekommen.

Von Manuela Langner 21.08.2020, 01:01

Gommern l Nach Auftragen von Haftgrund und Grundierung zweimal 24 Stunden lang eine herrlich freie Wand, die nur so zum Bemalen einlädt! Dieser Zeitfaktor ist das Nervenaufreibende, bereitet Annett Koczak, Schulleiterin der Ganztagssekundarschule „Fritz Heicke“, ein neues Graffiti vor. Denn entdecken illegale Sprayer die vorbereitete Wand, war nicht nur die ganze Arbeit umsonst, sondern steht auch das geplante Projekt der Schüler auf der Kippe. Deshalb stellt sich die Kunstlehrerin lieber zu ungewöhnlichen Zeiten hin und grundiert die Wand, als ein zu großes Risiko einzugehen.

Als Bürgermeister Jens Hünerbein vor sechs Jahren die Idee hatte, die Rückwand der Garagen auf dem Weg zur Grundschule „Am Weinberg“ mit einem Graffiti verschönern und vor Schmierereien schützen zu lassen, hatte Annett Koczak wenig Ahnung von Graffiti. Sie fuhr mit ihren Töchtern zur damals neuen Aerosol-Arena in Magdeburg und sprach dort einen der Sprayer einfach an.

Graffiti-Künstler Robert Braune setzte das Projekt mit den Jungen und Mädchen um. Seine klaren Ansagen ließen den einen oder anderen Schüler erstmal durchatmen, aber keiner warf hin. Ganz im Gegenteil. Die Schüler bekamen viel Zuspruch von Passanten und sogar Beifall von den Grundschülern.

Für die Garagenwand in der Karither Straße gestalteten die Schüler ihre Motive zum Thema Landschaft selbst. Während des Sprühens gelang es den Jugendlichen nicht, eine Gemeinschaft zu bilden. Sie blieben Einzelcharaktere, und Annett Koczak überlegte zwischenzeitlich, notfalls den Rest alleine fertigzustellen.

Ganz anders beim Graffiti am Kanuheim in Pretzien. Die Jugendlichen hatten am Aufenthalt dort und am Sprayen so viel Spaß, dass sie - Ferien oder nicht - gerne noch ein paar Tage länger geblieben wären. Ihr Graffiti leuchtet auch besonders schön, was an der hellblauben Grundierung liegt.

Das große Graffiti an der Wand der Eintracht-Sporthalle, das alle Sportarten des SV Eintracht Gommern einschließt, war das letzte Mittel gegen illegales Sprühen. Ständig wurden im Sportforum unerwünschte Schriftzüge hinterlassen.

Gemeinsam mit Schülern der Europaschule Gymnasium Gommern wurde das Projekt in zwei Durchgängen realisiert. Anfangs half der Polylux, die notwendigen Umrisse an die Hallenwand zu übertragen, im zweiten Durchgang machte Graffiti-Künstler Yves Paradis - ein Kanadier, der in Deutschland lebt - alles mit freier Hand. Nebenbei leitete er die Schüler an, die in ihren Ferien freiwillig zur Schule kamen. „Weil es Spaß macht“, wie sie berichteten, und sie viel dazulernten. Wie man respektvoll mit der Dose umgeht, ohne in Angst zu verfallen. Wie man ganz extakte Linien mit Konzentration und Körperbeherrschung hinbekommt. Wie wichtig es ist, nah an die Wand zu gehen, wenn es vielleicht auch nicht cool aussieht.

Wie für die Eintracht-Sporthalle galt auch für das Toilettenhäuschen am Kulk das legale Graffiti als letzte Möglichkeit gegen illegale Schmierereien. Viel Geld musste die Stadt für die regelmäßige Säuberung bezahlen. Den Entwurf fertigte Yves Paradis an. Er setzte das Projekt gemeinsam mit Annett Koczak und ihren Schülern um. Einigen gefiel es sehr, nach den strengen Vorgaben des Künstlers - die Dose mit dieser Nummer für diesen Bereich - zu arbeiten. Andere hätten sich mehr Freiheiten gewünscht.

Jugendlichen, die in Gommern ohne Vorgaben Sprayen möchten, steht eine Wand an der Rückseite des Sportplatzes am Volkshaus zur Verfügung. Dort dürfen sie völlig legal ihre Kreativität ausleben.

An den ersten Graffiti wie in der Karither Straße und „Am Weinberg“ nagt langsam der Zahn der Zeit, aber für die Ewigkeit ist diese Kunstform auch nicht gedacht. Vielmehr müssen Graffiti-Künstler immer damit rechnen, dass auch ihre schönsten Kunstwerke am nächsten Tag schon wieder verschwunden sein könnten.

Eigentlich gibt es einen Ehrenkodex unter Sprayern, dass gesprühte Flächen nicht übermalt werden, aber nicht jeder hält sich daran. So wurde beispielsweise das Graffiti zur Städtepartnerschaft am Trafohäuschen in der Magdeburger Straße mit Farbstreifen überzogen, aber glücklicherweise auch wieder instandgesetzt.

Die Stadt macht von dem Angebot der Avacon, die Trafohäuschen von professionellen Sprayern mit ortstypischen Motiven verschönern zu lassen, gerne Gebrauch. Die Ortschaften haben daran ebenfalls großes Interesse. Beispielsweise Lübs und Dannigkow konnten sich schon ihre Wünsche erfüllen lassen.

Die nächsten Graffiti-Projekte warten auf die Sekundarschüler. Die Stadt möchte die Rückwand der Versammlungsstätte am Volkshaus gestalten lassen. Zum Streetday im vergangenen Jahr war aufgefallen, wie schlimm die Fassade in Höhe der Skaterbahn aussieht. Und es ist anzunehmen, wäre die Coronavirus-Pandemie nicht dazwischen gekommen, wäre die Wand längst mit einem Graffiti aufgehübscht worden. Nach Abnahme der neuen Stützmauer am Plattensee in Dannigkow soll auch dort ein Graffiti den eintönigen Beton verschönern. Beide Projekte legt Bürgermeister Jens Hünerbein vertrauensvoll in die Hände von Annett Koczak und ihren Schülern.

Ihr eigenes Schulgebäude haben die Jugendlichen natürlich auch mit Kunst versehen. Nach der Sanierung des Schulhauses wurde ein großes Wandbild über mehrere Etagen gemalt. Mit der Sanierung verschwand allerdings auch das von Schülern angefertigte Mosaik hinter der neuen, grünen Fassade.