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Landwirtschaft Wieviel Wolf ist zumutbar?

Die Bauern fühlen sich beim Thema Wolf von der Politik im Stich gelassen. Der Drewitzer Landwirt Peter Deumelandt spricht Klartext.

Von Falk Heidel 14.05.2017, 06:00

Burg/Genthin l Der Wolf beschäftigt Land und Leute. Vor allem auch die Landwirtschaft sorgt sich, fühlt sich mit ihren Sorgen allein gelassen. Volksstimme-Redakteur Falk Heidel sprach darüber mit Peter Deumelandt, Geschäftsfürher des Kreisbauernverbandes Jerichower Land.

Volksstimme: Herr Deumelandt, beim Thema Wolf liegen die Bauern über Kreuz mit Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert von den Grünen. Was hat Sie so verärgert?
Peter Deumelandt: Seit Monaten gibt es diverse Veranstaltungen zur gestiegenen Wolfspopulation im Land mit Vertretern aus dem Ministerium. Jedes Mal stellen wir ganz konkrete Fragen, um genauso häufig nur schwammige Antworten zu bekommen.

Wo liegt denn das Wolfsproblem konkret im Jerichower Land?
Hier im Landkreis haben wir vier offiziell bestätigte Rudel, von den 46 in ganz Deutschland. Mit den Regionen um Karow und Schopsdorf haben wir aktuell zwei Hotspots im Landkreis. Hier hat es bereits in diesem Jahr zweistellige Risszahlen gegeben. In Karow hat sich der Wolf neun Kälber geholt, in Schopsdorf sieben. Hinzu kommen noch etliche vermisste Tiere, für die die Landwirte übrigens keine Entschädigung bekommen. In Schopsdorf sind es 14 vermisste Kälber allein in diesem Jahr. Vom Land wurden zwar kurzfristig Schutznetze zur Verfügung gestellt, aber diese reichen nur für sehr kleine Areale und sind langfristig keine Lösung für das Problem. Wir wünschen uns vom Ministerium, dass die Wolfsthematik nicht verharmlost wird und die Probleme der betroffenen Tierhalter ernst genommen werden. Jeder Mensch kann doch erkennen, dass sich der Wolf nicht immer so verhält, wie es vorhergesagt wurde. Das Problem wird sich noch verschlimmern. Wir haben laut offiziellen Zahlen mit einem jährlichen Zuwachs der Wolfspopulation um 35 Prozent zu tun. Bedeutet: Der Bestand verdoppelt sich alle drei Jahre.

Wo liegt denn das Wolfsproblem konkret im Jerichower Land?
Unter anderem möchten wir wissen, wie viele Wölfe unser Land verträgt. Laut Wolfsbericht des Bundes wären dies bundesweit knapp 2500 Tiere in 440 Rudeln. Das wären mehr als dreimal so viele Tiere als in Polen. Wobei Polen annähernd gleich groß wie Deutschland ist, bei nicht einmal der Hälfte der Bevölkerung. Wollen wir das wirklich mit allen Konsequenzen für die Sicherheit der Menschen und den Fortbestand der Weidetierhaltung? Hinzu kommt, dass wir landesweit im Jerichower Land mit mindestens vier Rudeln die höchste Populationsdichte des Wolfes ertragen müssen. Das Rudel in Altengrabow soll 23 Tiere umfassen. Wir sind der Meinung, dass das Ministerium definieren muss, wie viele Tiere pro Quadratkilometer für die Gesellschaft zumutbar sind.

Sehen Sie die öffentliche Sicherheit in Gefahr?
Auf jeden Fall! Wir wollen keine Panik verbreiten, auch nicht das Märchen vom gefressenen Rotkäppchen. Aber das Thema hat längst eine Eigendynamik bekommen. Was passiert, wenn Herden von einem Rudel Wölfe auf Schienen, Straßen oder die Autobahn gehetzt werden? Wer wird in solchen Fällen dafür die Verantwortung tragen? Fachleute haben vor wenigen Jahren noch ausgeschlossen, dass sich der Wolf der Zivilisation nähert. Jetzt ist dieses Raubtier oft genug in Städten und Dörfern gesichtet worden. Und wir stehen in der Entwicklung der Population erst am Anfang, laut der Politik ist ja noch für viele Tausend Wölfe Platz in Deutschland. Wie steht es da mit der Sicherheit unserer Berufskollegen bei der Ausübung ihrer Arbeit sowie der ländlichen Bevölkerung allgemein?

Ihre Bedenken sind aber auch wirtschaftlicher Natur.
Wenn wir als Gesellschaft den Wolf haben wollen, dann müssen die tatsächlich Betroffenen auch schadlos gestellt werden. Das bedeutet, dass sämtliche zusätzlichen Kosten für die Prävention bezahlt werden müssen. Aktuell bekommen Schaf- und Ziegenhalter 80 Prozent gefördert – Rinderhalter null. Zudem muss der volle Schadensausgleich für gerissene Tiere erfolgen. Derzeit verbleiben bei der Rissentschädigung beim Mutterkuhhalter mindestens 500 Euro Differenz zum späteren Verkaufspreis.

Wie hoch ist die Entschädigung für ein Kalb?
Die liegt je nach Rasse bei 100 bis 120 Euro. Neben dem finanziellen gibt es aber auch den emotionalen Aspekt. Niemand nimmt es einfach so hin, wenn morgens zerfetzte Tiere auf der Weide liegen. Es sind unsere Tiere, wir leben mit ihnen und kümmern uns Tag für Tag um sie. Diese Sorgen und Ängste legt kein Landwirt mit dem Feierabend beiseite. Es wird seitens der Politik vom Vergrämen von Wölfen gesprochen, die sich wiederholt menschlichen Siedlungen nähern. Mittlerweile wissen wir ja, dass dies bei uns schon häufiger passiert ist. Allerdings konnten wir bisher noch keine Maßnahmen zur Vergrämung registrieren. So werden beispielweise „optische und geruchliche Negativreize“ als sehr wirksam empfohlen. Unser Eindruck ist, dass es seitens der Landesregierung keine schlüssigen und praktikablen Konzepte gibt.

Steht das in der Antwort der Ministerin?
So lässt sich das Schreiben aus Magdeburg teilweise zusammenfassen. Das Ministerium will ab dem kommenden Jahr nicht mehr alle Wolfsrisse entschädigen. Stattdessen sollen die Bauern zur Kasse gebeten werden, weil sie den Wolfsriss nicht verhindern konnten.

Wie soll das passieren?
Ganz im Ernst will das Land den Bauern einen Teil der EU-Fördergelder streichen, wenn sie ihre Weiden nicht ausreichend vor den Raubtieren schützen können. Allerdings spricht niemand über den unfassbaren Aufwand. Die Betriebe müssten hunderte Kilometer Sicherheitszäune ziehen und betreuen. Diese Zäune sollen aus mindestens fünf stromführenden Litzen bestehen, um den Mindestschutzanforderungen zu entsprechen. Der Abstand von der untersten Litze zum Boden darf nur 20 Zentimeter betragen. Das Problem: Unsere Tiere weiden in der Vegetationszeit. Es dauert nicht lange bis das Gras in den Zaun wächst. Damit ist auch der Strom weg. Also muss unterhalb der hunderte Kilometer Zäune regelmäßig gemäht werden. Sie merken, der Aufwand wird immer höher und bedeutet noch immer keinen sicheren Schutz vor dem Wolf. All diese Kosten sollen unsere Betriebe zusätzlich tragen. Wenn sie das nicht schaffen, werden sie bestraft, wenn sich der Wolf ein Tier holt. Man muss wissen, dass die Weidetierhaltung nicht zu den einträglichsten Sparten der Landwirtschaft zählt. Und überhaupt: Es kann doch nicht im Sinne einer oft gepriesenen Landschaftspflege und der Biodiversität sein, dass wir jetzt riesige Areale massiv einzäunen und unter Strom setzen. Denn neben dem Wolf kommen auch alle anderen Tierarten nicht mehr auf die Wiesen. Reh, Hase und Co werden mit bestraft, weil wir ein Großraubtier hier wollen.

Schutzhunde sollen zudem den Wolf von den Herden abhalten. Was halten Sie davon?
An abgelegenen Orten für Schaf- und Ziegenhalter macht dies eventuell Sinn und wird auch teilweise praktiziert. Für Rinderherden gibt es diesbezüglich kaum Erfahrungen. Es gibt aber gar nicht genug einsatzbereite und geeignete Herdenschutzhunde. Die enormen Unterhaltungskosten für Futter, Tierarzt und zusätzliche Arbeits- und Trainingsstunden für eine Vielzahl an Hunden pro Betrieb sind nicht finanzierbar. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass diese Hunde mit all ihren Möglichkeiten gegen Eindringlinge vorgehen. Stellen Sie sich vor, dass Schafe am Elberadweg weiden, Tag und Nacht bewacht von ihren Beschützern und unsere touristischen Gäste möchten die kleinen Lämmer hinterm Zaun streicheln. Bei diesem Gesamtthema nehmen wir als Gesellschaft ein enormes Risiko auf uns.

Schutzhunde sollen zudem den Wolf von den Herden abhalten. Was halten Sie davon?
Es ist Fakt, der Wolf benötigt jeden Tag mehr als vier Kilo Fleisch, macht im Jahr mindestens 1200 Kilo pro Tier. Unsere Wildtiere in den Wäldern werden weniger, die Nutztiere sollen hinter Sicherheitszäunen oder in den Stall. Der Wolf ist kein Kuscheltier. Dennoch hat sich die Politik entschieden, das Raubtier hier in unserem Land wieder heimisch werden zu lassen. Es wird eine Menge Geld für Wolfsmanagement und -monitoring aufgewendet, wieviel es wirklich ist, wird nicht genannt. Die Summen für die tatsächlich Betroffenen und deren Schäden machen jedoch nur einen geringen Teil der finanziellen Aufwendungen aus. Hier wird die Verantwortung dann auf die Landwirte und Tierhalter abgeschoben. Und der Druck auf alle Bewohner des ländlichen Raumes steigt von Jahr zu Jahr weiter an.