1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. Zoff um den Wolfsschutzzaun

Landwirtschaft Zoff um den Wolfsschutzzaun

Die Feldrundfahrt nutzte der Kreisbauernverband zu einer Exkursion zum Wolfsschutzzaun nach Schopsdorf.

Von Kristin Schulze 06.06.2018, 09:26

Schopsdorf l Wie hält man den Wolf fern von Rinderherden? Gerade Kälber passen ins Beuteschema des Raubtiers. So hatte die Agrargenossenschaft in Schopsdorf 2017 einige Übergriffe zu beklagen. „Am gefährlichsten ist es für die Februar-Kälber“, sagt Geschäftsführer Uwe Menge.

Er zeigte vor Kurzem etlichen Kollegen den Wolfsschutzzaun, den die Agrargenossenschaft für ihre Mutterkuhherden in Schopsdorf testet. Finanziert wird das Projekt vom Land.

Anlass für die Begehung war die Feldrundfahrt des Kreisbauernverbands. Neben Natura 2000 und der Trockenheit ist der Wolf dominierendes Thema unter den Landwirten im Jerichower Land. Deshalb der Halt am Zaun, zu dem auch Simone Dahlmann vom Wolfskompetenzzentrum in Iden gekommen war.

In Iden sieht man in dem Zaun einen guten Ansatz, um Weidetiere vor dem Wolf zu schützen. In Schopdsdorf fällt das erste Urteil anders aus: „Der Aufbau des Zaunes ist sehr aufwendig, außerdem ist die Anschaffung extrem teuer“, resümiert Uwe Menge. Zwar habe man 2018 weniger Übergriffe als noch im vergangenen Jahr zu verzeichnen, doch führe er das weniger auf den Zaun als auf das dezimierte Rudel vom Altengrabower Truppenübungsplatz zurück.

Uwe Menge sagt: „Für Notfälle ist dieser Zaun in Ordnung, auf Dauer ist das System für uns nicht praktikabel.“

Probleme seien der aufwendige Aufbau und die zeitintensive Pflege. Der Zaun ist etwa 1,20 Meter groß. „Ein Flatterband soll den Wolf vom Springen abhalten“, erklärt Dahlmann und erntet müdes Lächeln von den Bauern. „Klar kann der Wolf springen, aber er weiß es nicht und lernt es im Idealfall auch nicht“, sagt Dahlmann, selbst studierte Landwirtin und im Wolfskompetenzzentrum für den Herdenschutz zuständig, fast ein wenig hilflos.

In der Regel versuche der Wolf, Hindernisse zu untergraben. Darum hat der Zaun im bodennahen Segment Metalldrähte. Wenn der Wolf dagegen kommt, gibt es einen Stromschlag, und das Tier meidet den Zaun. „Auf die Berührung folgt der Schmerz“, sagt Dahlmann. Nach diesem unmittelbaren Lerneffekt sei der Wolf abgeschreckt. Wichtig sei dafür eine ausreichende Stromführung von 7000 bis 8000 Volt.

Für den Landwirt bedeutet das, dass er die unteren Litzen regelmäßg von Gras freischneiden muss. „Bei den großen Flächen, die wir einzäunen müssten, ist das nicht realisierbar“, sagt Uwe Menge.

Auch Dahlmann räumt ein, dass der Zaun bisher eher von Hobbytierhaltern oder Landwirten im Nebenerwerb genutzt wird. „Wir brauchen Zahlen und Erfahrungswerte, um Lösungen anzubieten, die auch große Betriebe absichern.“ Das Pilotprojekt mit dem Schutzzaun läuft in Karow und Schopsdorf für zwei Jahre. In dieser Zeit sollen möglichst viele Informationen gesammelt und ausgewertet werden. Dafür wird mit Kamerasystemen und den Beobachtungen der Mitarbeiter vor Ort gearbeitet.

Für viele Landwirte kann es nur eine Lösung geben, Konsens unter den Bauern auch während der Feldrundfahrt: Der Wolf muss ins Jagdgesetz aufgenommen werden, muss wie Rot- und Schwarzwild auch geschossen werden dürfen. „Vielleicht kommt das eines Tages so, aber das liegt nicht in unseren Händen“, erwidert Simone Dahlmann. Und: „Eine mögliche Bejagung entbindet den Bauern nicht von Herdenschutzmaßnahmen.“

Peter Deumelandt, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes, sagt: „Wenn wir den Wolf nicht bejagen wollen, wie es in Estland, Norwegen, Schweden und vielen anderen Ländern gemacht wird, müssen wir die betroffenen Bauern wenigstens voll entschädigen.“ Dafür sehe er im Haushalt des Landes Sachsen-Anhalts aber kaum Möglichkeiten. „20 000 Euro sind für Entschädigungen eingeplant, 180 000 für Prävention. Das reicht hinten und vorne nicht.“

Uwe Menge ergänzt: Die Vorstellung von der Vollentschädigung sei generell utopisch. „Klar, kann man den Verlust für ein totes Kalb finanziell beziffern. Aber was ist mit dem Stress, den die Tiere nach einem Wolfsriss haben, mit der Arbeitszeit, die man in Schutzmaßnahmen steckt, mit den Kälbern, von denen man nicht sofort merkt, dass sie fehlen ...“

Auch Landrat Steffen Burchhardt (SPD) nahm an der Feldfahrt teil. Er erzählte vom im Jerichower Land mittlerweile bekannten Fall aus Möser, wo ein Wolf einen 1,85 Meter hohen Zaun überwunden hatte, um Schafe zu reißen. „Nach dieser Erfahrung kann ich mir wirklich nicht vorstellen, dass ein Flatterband und ein 1,20 Meter hoher Zaun ihn von den Kälbern fernhalten.“

Burchhardt machte auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Mir stellt sich die Frage, ob durch den Zaun nicht nur ein Verdrängungseffekt entsteht.“ Soll heißen: Der Wolf geht einfach ein paar Hundert Meter weiter und sucht sich eine Koppel ohne speziellen Wolfsschutzzaun. „Wenn der Zaun überall steht, denke ich, dass er ihn auch überwinden wird“, schloss Burchhardt seine Ausführungen.

Eine Lösung, die alle Parteien zufrieden stellt, scheint es momentan nicht zu geben. Simone Dahlmann informierte zum Abschluss über kostenlose Beratungen, die das Wolfsinformationszentrum vor Ort beim Bauern anbietet, um nach individuellen Lösungen zu suchen.