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Luftbelastung Nach Corona droht mehr Feinstaub

Durch Corona hat sich die Luftqualität besonders in Burg und der Region verbessert. Doch die geringe Luftbelastung ist Fluch und Segen.

Von Sebastian Rose 17.05.2020, 06:00

Burg l Die vielen bunten Blumen tanzen im Takt des leichten Windes im Goethepark in Burg. Nur ein paar Wolken hängen in der klaren Luft. Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen hat sich die Luftqualität verbessert. Viel weniger Autos fahren auf den Straßen im Jerichower Land.

„Eine Reduzierung von Emissionen durch weniger Verkehr und weniger Industrieprozesse hat grundsätzlich immer einen positiven Effekt auf die Luftqualität“, erklärt Ines Wahl, Pressedezernentin des Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. „Wie groß dieser Einfluss ist, lässt sich jedoch erst seriös bewerten, wenn die Daten zu dessen Berechnung vollständig vorliegen. Dazu ist der Zeitraum noch zu kurz.“

Die Überwachung der Luft übernimmt das Land Sachsen-Anhalt in Form von sogenannten Luftgütemessstationen. Im Jerichower Land befindet sich eine beispielsweise seit 1993 im Flickschupark. Dort werden Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxid (NO2), Feinstaub und enthaltene Schwermetalle, Benzol, Kohlenmomoxid (CO) und Ozon gemessen. „Aufgrund ihrer gesundheitlichen Relevanz stehen Stickstoffdioxid, Feinstaub und Ozon im vordergründigen Interesse“, so Wahl.

Jedoch sei es gar nicht so einfach, diese Werte im Vergleich zu den Vorjahreswerten zu stellen. „Bei der Luftqualität muss neben den Emissionen aus Energieerzeugung, Verkehr und Industrie der Einfluss der Meteorologie mit betrachtet werden. Treten austauscharme Wetterlagen auf, reichern sich die Schadstoffe in der Luft an. Kräftiger Wind hilft hingegen, die Schadstoffe schnell zu verteilen. Hinzu kommen aktuell auch Einträge von Feinstaub aus anderen Quellen, etwa der Landwirtschaft, wo bei der Düngung der Felder Ammoniak gebildet wird, das eine Vorläufersubstanz des Feinstaubs ist. Dieser sogenannte sekundäre Feinstaub kann mit dem Wind dann auch in eine benachbarte Stadt transportiert werden“, erläutert Wahl.

Die Feinstaubbelastung bewegte sich noch im Februar überwiegend auf sehr niedrigem Niveau, gleiches gilt auch für die Belastung mit anderen Luftschadstoffen, beispielsweise Stickstoffdioxid. „Ursächlich dafür waren unter anderem die Witterungsbedingungen, denn dieser Monat war durch niederschlagsreiche und stürmische Wetterlagen (Orkantief Sabine) sowie milde Temperaturen geprägt. Dementsprechend herrschten sehr gute Austauschbedingungen.“

Mit der Umstellung der Wetterlage hat sich dann die Belastungssituation ab Mitte März deutlich geändert. Ausbleibende Niederschläge und ansteigende Lufttemperaturen haben in Verbindung mit teils heftigem und böigem Wind einen ersten Anstieg der Trockenheit herbeigeführt, so Wahl. Es kam flächendeckend und nicht nur in Sachsen-Anhalt zu einem Anstieg der Feinstaubkonzentrationen. Mit der vorherrschenden Ostströmung gelangten bereits vorbelastete Luftmassen aus Osteuropa (Feinstaub-Ferntransporte) in die Region und führten an verkehrsbezogenen Hotspots zusammen mit der lokalen Partikelbelastung (Fahrzeugverkehr) zu einer Überschreitung des zulässigen Tageswertes. „Belastungshöhepunkte in Sachsen-Anhalt waren der 27. und 28. März. Anfang April sind die Feinstaubkonzentrationen lokal leicht angestiegen und insgesamt lag die mittlere Partikel-Belastung im April an allen Messstationen über den Werten des Vormonats.“ Dies stehe vermutlich auch mit den ausgebliebenen Niederschlägen, der verbreiteten Trockenheit und auch landwirtschaftlichen Aktivitäten in Verbindung. Nach den am 18. März in Kraft getretenen Ausgangsbeschränkungen wird deutlich, dass lokale Effekte wie ein verringertes Verkehrsaufkommen durch großräumig wirkende Einflussfaktoren überlagert werden können, da die meteorologischen Bedingungen allgemein einen sehr großen Einfluss auf die Höhe der Luftschadstoffbelastung haben. „Sie beeinflussen wesentlich die luftchemischen Prozesse, also die Ausbreitung und zum Teil auch die Bildung von Luftschadstoffen. Insofern ist ein einfacher Jahresvergleich der Luftbelastungswerte immer problematisch.“

Die durchschnittliche Belastung in den ersten vier Monaten 2020 fällt im Vergleich zu den Vorjahren niedriger aus. Jedoch ist sogar ein leichter Anstieg von März zu April zu erkennen. Dies ließe sich damit erklären, dass im sogenannten städtischen Hintergrund das Belastungsniveau erst später als an quellnahen Standorten reduziert wird. Am Schleinufer in Magdeburg sei daher eine schnellere Verbesserung der Luftqualität zu bemerken. „Auch wenn die Maßnahmen der Corona-Krise eine positive Auswirkung auf die Luftqualität haben können, wird dies nur ein kurzfristiger Effekt sein. Eine langfristige und dauerhafte Verbesserung der Luftqualität kann nur mit gezielter Luftreinhaltepolitik erreicht werden“, heißt es von Seiten des Bundesumweltamts.

Dennoch sei in Sachsen-Anhalt und insbesondere im Jerichower Land ein deutlich rückläufiger Trend erkennbar. „Die Ursachen für den deutlichen Rückgang der NO2-Konzentrationen liegen unter anderem im Verkehrssektor. Im Zuge des Dieselskandals und der drohenden Fahrverbote ging die Erneuerung der Fahrzeugflotte deutlich schneller voran. Zudem gab es Softwareupdates und auch alternative Antriebstechnologien gewinnen zunehmend stärker an Bedeutung“, so Wahl. „Es ist davon auszugehen, dass sich die Corona-Effekte nicht in hohem Maße langfristig auf die Luftqualität auswirken. Mit dem Endes des Lockdowns und dem Wiederhochfahren der Industrieproduktion wird beispielsweise der Verkehr wieder zunehmen und sicher den Level vor der Krise erreichen. Es könnte anfangs sogar einen gegenteiligen Effekt geben, da nun industriell vieles nachgeholt werden muss und somit viel mehr Fahrzeuge unterwegs sind.“