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Müllskandal Bürger tragen Kosten

Rund fünfeinhalb Millionen Euro wird die Sanierung der ehemaligen Vehlitzer Tongrube kosten. Der Kreis muss zahlen - aus Steuergeldern.

Von Thomas Pusch 26.06.2020, 01:01

Vehlitz l Fast mutet die Szenerie idyllisch an. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel, Vögel zwitschern, die Bundesstraße ist weit weg. Doch eine mit zwei dicken Schlössern gesicherte Schranke ist klares Indiz dafür, dass es sich um kein Erholungsgebiet handelt. Sie sichert das verwaiste Gelände der ehemaligen Ziegelei Sporkenbach. Nach wenigen Hundert Metern auf der Zufahrtstraße ist der verfallene Gebäudekomplex erreicht. Und hier erklärt sich augenfällig die Sicherungsmaßnahme: illegal entsorgter Sperrmüll. „Wir mussten dichtmachen, es war unglaublich, was alles angeschleppt wurde“, sagt Katrin Erdmann, Fachbereichsleiterin Umwelt beim Landkreis.

Doch die wahre Brisanz des Geländes ist nicht zu sehen. Sie liegt unter der Betonschicht: Müll. Bis 2008 ist in Hohlräumen teils belasteter sogenannter Betonmüll gepresst worden, illegal. Gleiches geschah in einer Tongrube bei Möckern. Vor zwölf Jahren flog der Skandal auf. Der damalige Landrat Lothar Finzelberg wurde 2018 zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, weil das Gericht es als erwiesen ansah, dass er die illegalen Müllablagerungen gedeckt und im Gegenzug Gefälligkeiten angenommen hat. Mitte März wurden drei Beteiligte der Müllentsorgungsfirma zu Haftstrafen von vier Jahren und sechs Monaten und drei Jahren und drei Monaten sowie zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Die Ziegelei ist insolvent.

Der Müll ist gefährlich. So kann belastetes Sickerwasser die Umwelt verschmutzen. Was genau sich im Untergrund befindet, wird aber wohl erst im Rahmen der Entsorgung herauskommen. Die Fläche ist ungefähr so groß wie drei Fußballfelder.

Zwar seien Probebohrungen vorgenommen worden, engmaschige Bohrungen seien aber wiederum zu teuer, sagt Erdmann. Jüngst hat der Kreistag beschlossen, eine zusätzliche Million für die Sanierung bereitzustellen. Untersuchungen hatten ergeben, dass die Fläche nicht 14 500, sondern 17 500 Quadratmeter beträgt. Der Kreistagsbeschluss war Voraussetzung dafür, die nächsten Schritte einzuleiten. „Das Planungsbüro bereitet jetzt die Ausschreibung vor, die im nächsten Monat veröffentlicht werden soll“, beschreibt Katrin Erdmann das weitere Vorgehen. Im Herbst soll dann mit den Entsorgungsarbeiten begonnen werden, die etwa ein Jahr in Anspruch nehmen dürften. Je nach Gefahrenstufe wird der Abfall auf eine Deponie der Kategorie I, etwa nach Reesen, Magdeburg oder Schönebeck gebracht, Deponien der Kategorie II gibt es nicht im Jerichower Land, aber in Magdeburg und dem Bördekreis. Nach der Klassifizierung berechnet sich der Entsorgungspreis. Es wird mit rund 31 000 Tonnen Erdreich gerechnet. Das entspricht etwa dem Gewicht von 50 Flugzeugen des Typs Airbus 380. Nichtgefährliche Abfälle kosten rund 109 Euro pro Tonne, gefährliche rund 118 Euro. Nach den bisherigen Analysen wird davon ausgegangen, dass der überwiegende Anteil mit 75 Prozent nichtgefährlicher Abfall ist.

„Es geht hier ausschließlich um Gefahrenabwehr“, so Landrat Steffen Burchhardt (SPD). An den Gebäuden werde nichts gemacht, es sei nicht einzusehen, dafür weiteres Geld der Steuerzahler auszugeben. Natürlich werde versucht, sich die Maßnahme aus der Konkursmasse bezahlen zu lassen, Rechnungen würden geschrieben. Der Insolvenzverwalter habe aber signalisiert, dass nichts zu holen sei. „Also werden wir kein aufwendiges Verfahren betreiben, um ans Geld zu kommen“, sagt Burchhardt.

Eine Hoffnung ruht noch auf dem Land. Bislang ist es sich mit rund 1,5 Millionen Euro an der Finanzierung beteiligt. Als die Summe festgelegt wurde, lag die Gesamtkalkulation noch bei 3,5 Millionen. „Vielleicht“, so der Landrat, „stockt das Land seinen Anteil ja noch auf, wir werden es auf jeden Fall versuchen“.