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Natura 2000 Tierrecht vor Menschenrecht?

Kräftigen Gegenwind hat das Projekt Natura 2000 während einer Informationsveranstaltung in Lostau gleich von mehreren Bürgern erfahren.

Von Thomas Rauwald 30.11.2017, 05:00

Lostau l  Natura 2000 ist ein gewaltiges Naturschutzprojekt, mit dem europäische Grundsätze zu deutschem Recht werden sollen. Die Landesverordnung, die vor allem Vogelschutzgebiete und so genannte FFH-Gebiete unter besonderen Schutz stellt, ist nicht unumstritten. Bei einer Informationsveranstaltung des Landesverwaltungsamtes zum Thema Natura 2000 haben die anwesenden Bürger deutlich gemacht: Wir wollen das nicht.

Warum? Weil der Schutz von Tieren über die berechtigten Interessen der Menschen gestellt würden, machte Wolfgang Rust aus Hohenwarthe deutlich. „Tierrecht vor Menschenrecht, das geht nicht“, so Rust.

Die beiden Referenten, der Abteilungsleiter Landwirtschaft und Umwelt Gert Zender, und der Behördenreferent Torsten Pietsch, hatten zuvor darüber informiert, dass sich ein schwerpunktmäßiges Schutzgebiet in den Taufwiesenbergen und dem Mittelwerder befindet. Das ist ein breiter Wiesenstreifen in der Elbbiegung nördlich der Trogbrücke. Beide Areale befinden sich in einem Vogelschutzgebiet, das sich entlang der Elbe in Richtung Norden hinzieht. Ansonsten gibt es in Hohenwarthe/Lostau noch zwei FFH-Gebiete, in denen Fauna und Flora unter besonderem Schutz stehen.

Alles, was jetzt in diesen Gebieten an Gebäuden, Straßen, Wegen, Plätzen, Brücken und mehr besteht, habe Bestandsschutz, sagten die beiden Informanten aus dem Landesverwaltungsamt. Alle Einrichtungen können wie bisher auch genutzt werden.

An dieser Stelle meldete sich eine Zuhörerin aus Hohenwarthe, die im jetzigen Naturschutzgebiet Taufwiesenberge wohnt. Ob sie an ihren Haus anbauen könne, so ihr Frage. Auf jeden Fall sei ein Bauantrag notwendig, in dem geprüft werde, ob und welche Auswirkungen das Vorhaben auf den Naturschutz habe. Ein Anbau sei sicher möglich, schätzte Gert Zender ein, aber vielleicht ein nicht so opulenter.

Um den Hochwasserschutz machte sich der Hohenwarther Ortsbürgermeister Frank Winter große Sorgen. Über Jahre hinweg setzte man sich für die Schaffung einer Überflutungsfläche auf dem infrage kommenden Areal ein. Aber daraus wird nach Einsprüchen der Naturschutzbehörde und Naturschutzverbänden nichts werden, erläuterte Hartmut Dehne von der Möseraner Verwaltung. Nun heißt es, der alte Deich würde durch einen neuen ertüchtigt. Jedoch solle bis zum Anschluss an den Deich bei Niegripp eine offene Stelle bleiben. Die Referenten machten deutlich, dass Deichbau mit Natura 2000 nichts zu tun habe.

Dennoch sind die Bürger offenbar besorgt, weil sie vermuten, dass die neue Naturschutzverordnung den Deichbau zeitlich verschieben könnte. Dazu sprach Dr. Claus-Dieter Gerdts-Müller. Er habe nicht feststellen können, dass in diesem Jahr die angekündigte Kartierung von Pflanzen und Tieren für den künftigen Deichbau erfolgt sei. Das weise auf eine weitere Verzögerung hin. Dem widersprach Verwaltungsexperte Hartmut Dehne: „Der Deichbau liegt derzeit im Plan.“

Dass der Tourismus eingeschränkt und die Attraktivität von Hohenwarthe sinken würde, befürchten Gastronomen und das Beherbergungswesen. Denn es ist eindeutig: In den Taufwiesenbergen und im Mittelwerder werde es zu Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit der Bürger kommen.

Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung im Jahre 2019 dürfen in den entsprechenden Gebieten die Wege nicht mehr verlassen werden. Das bedeutet, dass die sandigen Buhnen der Elbe, die im Sommer viele Familien mit Kindern zum Baden anziehen, nicht mehr betreten werden dürfen. Das wird dann auch für Angler gelten. Hunde dürften künftig nicht mehr frei herumlaufen.

Dagegen wandte sich vehement Henry Bertram. Er sei täglich auf diesen Wegen unterwegs und beobachte die Spaziergänger und Hundefreunde, die die Natur genießen. Eine Bewegungseinschränkung will er nicht hinnehmen. Er selbst brauche die Spaziergänge in der freien Natur, um abzuschalten und sich von seiner schweren Arbeit zu erholen.

Der Tourismus sei für Hohenwarthe ein existenzielles Gut. Doch es scheint, dass die Besucherzahlen schon jetzt zurück gehen, sagt Beherberger Wolfgang Rust. Wenn die Gäste sehen, dass sie hier nicht Bedingungen vorfinden, die ihren Wünschen und Interessen entsprechen, dann gehen sie woanders hin. Deshalb dürfe an dem jetzigen Status nicht gerüttelt werden. Rust fragt, wie er seinen Übernachtungsgästen erklären soll, dass sie sich nur in einer Zone von 200 Metern um sein Areal frei bewegen können?

Alle Einwände seien dem Landesverwaltungsamt im Zuge der öffentlichen Anhörung bis zum 4. Dezember zuzusenden. Sie würden aufgenommen und dann im Zuge der Abwägung bewertet.

Rust bemängelte, dass diese Abwägung hinter geschlossen Amtstüren stattfindet. „Da zweifeln wir daran, dass unsere Einwände berücksichtigt werden.“