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Die Kreishandwerkerschaft Elbe-Börde soll wachsen. Das ist der Wunsch von Konrad Zahn, Kreishandwerksmeister im Jerichower Land.

Von Marco Hertzfeld 21.07.2018, 08:00

Burg l Vielleicht etwas mehr als 800 Betriebe gehören zur Kreishandwerkerschaft Elbe-Börde, maximal 140 davon befinden sich im Jerichower Land. „Es könnten deutlich mehr sein“, bedauert Konrad Zahn. „Es ist eine schwierige Situation. Der Organisationsgrad in den fünf Kreisgebieten liegt gerade einmal zwischen acht und zwölf Prozent.“ Der Vorsitzende möchte das nicht einfach so hinnehmen und will verstärkt um neue Mitglieder werben. Eines glaubt der Gommeraner schon zu wissen: „Wir werden nie 100 Prozent erreichen, noch nicht einmal annähernd.“

Dass es keinen Handwerkerstammtisch auf Kreisebene gibt, bedauert Zahn mindestens genauso. Vor sieben, acht Jahren habe es den Versuch regionaler Treffen gegeben, ohne Erfolg. „Der Kontakt unter Kollegen in größerer Runde wäre wichtig. Man kann Erfahrungen austauschen, natürlich ohne den Wettbewerbsgedanken zu verlieren.“ Der 67-Jährige überlegt, einen neuen Anlauf zu versuchen. Zahn ist auch Vorsitzender des Stadtfördervereins „Wir für Gommern“, ein Arbeitskreis „Wirtschaft“ richtet regelmäßig lokale Unternehmerstammtische aus.

Eine starke organisierte Handwerkerschaft und ihre Innungen seien ungemein wichtig. „Die schlechte Botschaft lautet: Je weniger sich über diese freiwillige Schiene zusammentun, umso mehr verliert die Lehrausbildung an Kraft. Vieles im Prüfungsrecht funktioniert nun einmal über diese Strecke.“ Die Handwerkskammern ruhen hingegen auf sicheren Füßen. „Viele Handwerker meinen, dass es mit der Pflicht, in der Kammer Mitglied zu sein, getan ist. Doch das ist viel zu kurz gedacht, gerade wenn es um starke Signale aus der gesamten Unternehmerschaft an die Politik geht.“

Nicht viel besser sieht es in der benachbarten Altmark aus. Bernhard Brauer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, geht von 450 angeschlossenen Betrieben in beiden Landkreisen aus. Der Organisationsgrad liege damit irgendwo bei 20 Prozent. „Übrigens gibt es nicht nur ein Gefälle zwischen Ost und West, sondern auch eines zwischen Nord und Süd. In Bayern und Baden-Württemberg soll es sogar Gegenden geben, in denen so gut wie alle Betriebe in dieser Form miteinander verbunden sind. Das ist schon traditionell so, die Strukturen sind dort über lange Zeit gewachsen.“

Im DDR-Erbe sieht auch Handwerksmeister Zahn im Jerichower Land den Knackpunkt. „Hier ist nicht alles so bodenständig gewachsen. In den 60er- und 70er-Jahren wurden viele Handwerksfirmen in Produktionsgenossenschaften und VEB-Betriebe umgewandelt.“ Nach der politischen Wende gründeten sich einige Traditionsfirmen neu, andere kamen dazu. Zahn hat für die Volksstimme in Unterlagen geschaut. 1988 existierten im Bezirk Magdeburg 6195 Betriebe. Ende 1990 gab es im Kammerbezirk Magdeburg, ähnlich groß, 8295 eingetragene Handwerker. Ein Jahr später waren es 9452 Betriebe im Kammerbezirk, mit der veränderten Handwerksordnung 2004 dann 13 542. Der Kern des Neuen: Die Anzahl der meisterpflichtigen Handwerke wurde von 94 auf 41 reduziert. „Mit der Novellierung stieg die Zahl der Betriebe, aber es ging auch schnell wieder runter. Viele der neu eingetragenen Firmen haben sich längst wieder vom Markt verabschiedet.“ Die aktuellsten Zahlen 2017: Der Kammerbezirk Magdeburg umfasst insgesamt 12 655 Betriebe. Für Zahn die gute Nachricht: „Das Handwerk im Jerichower Land hat gut gefüllte Auftragsbücher.“

Die Probleme bleiben. „Es gibt immer weniger potenzielle Mitarbeiter, der Nachwuchs fehlt, viele Leute scheiden altersbedingt aus dem Beruf aus.“ Die 10 000-Euro-Prämie für Handwerksmeister, die einen Betrieb übernehmen oder neu gründen, mache Sinn und sollte vom Land weiter ausgezahlt werden. „Die Prämie war und ist die richtige Entscheidung. Denn: In den nächsten zehn Jahren wird circa die Hälfte alle Betriebe schließen oder an einen Nachfolger übergeben. Die Umbrüche werden nicht weniger, im Gegenteil.“ Daran zu erinnern, auch dafür sei die Kreishandwerkerschaft da.

Weil die Bereitschaft für feste Stammtische fehle, treffen sich interessierte Handwerker aus dem Jerichower Land zumindest einmal jährlich in lockerer Runde. „Vier, fünf Mal waren wir mit Speis, Trank und guter Laune auf dem Gelände des Angelvereins in Burg.“ 2017 stand eine Floßfahrt nahe Parey auf dem Programm. Im August dieses Jahres soll es zur Landesgartenschau in der Kreisstadt gehen. Kreishandwerksmeister Zahn gegenüber der Volksstimme: „Das sind wichtige und richtige Treffen, doch vielleicht ist in der Zukunft noch mehr möglich.“