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Prozess in Burg Polizisten mit Stuhl außer Gefecht gesetzt

Die Liste der Vorwürfe gegen einen Burger vor Gericht ist lang. Aber ist er überhaupt verhandlungsfähig?

Von Bernd Kaufholz 03.08.2016, 18:40

Burg l „Ich wasche meine Hände in Unschuld.“ Dann wieder: „Teilweise stimmt‘s.“ Und nach 45 Minuten, am Ende des Prozesstags, völlig entnervt: „Ich war alles gewesen. Ich muss nicht noch mal her. Ich habe keine Kraft mehr. Ich will meine Ruhe haben.“

Doch diese Bankrotterklärung des Angeklagten fiel bei Strafrichterin Sigrid Konrad am Mittwoch nicht auf fruchtbaren Boden. „Ich hebe den Termin auf. Über die Fortsetzung des Hauptverfahrens werden sie rechtzeitig informiert.“

Aber vor Oktober muss sich Oliver H. wohl nicht wieder ins Amtsgericht bemühen. Dann wird der 34-Jährige jedoch nicht mehr Alleinunterhalter sein. Richterin Konrad will bis dahin Zeugen laden, die etwas Erhellendes zu den Tatvorwürfen gegen den Burger sagen können.

Und die Liste dieser Tatvorwürfe ist lang. Sie reicht von Körperverletzung über Hausfriedensbruch, Diebstahl, Beleidigung, Nötigung bis hin zur Sachbeschädigung.

Kein leichter Job für die Stendaler Staatsanwältin, alle Taten, die dem Arbeitslosen („Nennen wir es: Ich bin krank geschrieben“) vorgeworfen werden, geordnet aus den diversen Akten vorzutragen. Und es würde auch den Rahmen dieses Berichtes sprengen, hier alle Einzelheiten aufzuzählen.

Der Zeitraum, der angeklagt ist, erstreckt sich vom 16. April 2014 bis zum 23. November 2014 und bereits der erste Blick auf die Delikte zeigt, dass H. massive mentale Probleme hat.

So soll er seinen Nachbarn mit überlauter Musik und nervigem Klopfen gegen die Wand drangsaliert haben. Hintergrund soll eine Auseinandersetzung um Stromgebühren gewesen sein. Doch bei der Nötigung sei es nicht geblieben. Er habe den Nachbarn verfolgt und belästigt. „Der Nachbar war völlig verängstigt“, so die Staatsanwältin.

Als die Musik wieder mal die Wohnungen erzittern ließ, holte der Nachbar die Polizei. Einer der eintreffenden Beamten wurde als „Nazi“ beschimpft und H. soll gedroht haben: „Dich kenn ich wieder in der Stadt.“

Am 4. Juli 2014 auf dem Polizeirevier setzte der Mann, der gestern mit einem schwarzen T-Shirt mit den in gotischen Buchstaben geschriebenem Wort „Flüchtlingsenkel“ vor Gericht erschien, noch eins drauf: „Sperrt mich mit den Zwein in eine Zelle. Diesmal werde ich die kalt machen.“

Mit lautem Schnaufen und unruhigem Hinundherrücken drückte der Angeklagte seinen Unmut über die Vorwürfe aus. Mehrmals musste die Richterin beruhigend eingreifen. H. konnte sich allerdings nur sehr schwer zügeln. Ein kurzer Wortwechsel zwischen Sigrid Konrad und H. könnte eine Erklärung für das unübliche Verhalten des Angeklagten geben.

Richterin: „Haben sie ein Drogenproblem?“

H.: „Könnte man so sagen.“

Richterin: „Crystal Meth?“

H.: „Auch.“

Doch weiter zu den Vorwürfen. Mehrfach geht es um Hausfriedensbruch. Obwohl sowohl die Sparkasse als auch das Jobcenter Burg Hausverbote verhängt hatten, tauchte H. dort mehrfach auf und zeigte sich von seiner schlechtesten Seite. Die Polizei musste eingreifen.

Die Frage, warum er die Glasscheibe des Feuermelders eines Mehrfamilienhauses einschlug und ein Loch in die Zimmerdecke brach, kann H. wohl ebenso wenig beantworten, wie die, warum er einen Polizisten von hinten angegriffen hat. („Ich bin‘s nicht gewesen“).

Dagegen sind die Diebstähle in einem Döner-Imbiss (Cola und Lutscher) und bei Rewe (drei Schachteln Zigaretten) eher harmlos. Auch dort brach er wieder den Hausfrieden. H. verließ den Imbiss nicht, als er dazu aufgefordert wurde. Die Staatsmacht musste erneut eingreifen.

Der schwerste Vorwurf betrifft einen Vorfall im Ordnungsamt der Stadt. Als ihn Polizisten aus dem Gebäude entfernen wollten, wurde der Mann, der sich kaum unter Kontrolle zu haben scheint, rabiat und warf gezielt einen Stuhl. Er verletzte einen Beamten an der Hand, so dass dieser für einige Zeit dienstunfähig war. Der zweite Stuhl verfehlte den Polizisten.

Strafrichterin Konrad versuchte mit dem Angeklagten ein wenig Licht in die umfangreichen Tatvorwürfe zu bringen. Aber sie musste nach einiger Zeit ihre Bemühungen aufgeben, da H. immer unkonzentrierter wurde. Dem Vernehmen nach hatte ein Spezialist dem Angeklagten, der vor kurzer Zeit in der Psychiatrischen Klinik Jerichow untergebracht war, attestiert, dass er kaum mehr als eine Stunde einer Verhandlung folgen könne.

Ob H. dann erscheint, ist fraglich. Hatte er doch bereits den ersten Termin geschwänzt.