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Schiedsstelle Wenn der Nachbar streitet...

Zwistigkeiten zwischen Nachbarn nehmen auch in Burg immer mehr zu. 2019 führte die Schiedsstelle 21 Gespräche und 6 Verfahren durch.

Von Mario Kraus 04.03.2020, 05:00

Burg l Ein Zaun, ein Gitter, eine Mauer oder Holzwand – das alles kann schleichend oder ganz plötzlich den gewachsenen guten nachbarschaftlichen Frieden stören. Oder beispielsweise auch ein einfacher Komposthaufen, auf den die umweltbewusste Familie A schwört. Sie hat das Reihenhausgrundstück in einem Dorf bei Burg erworben und will das Landleben in seiner ganzen Bandbreite genießen. So wird der Garten entsprechend genutzt: Kartoffeln, Möhren, Erdbeeren wachsen und gedeihen. Sogar ein paar Hühner laufen auf der hinteren Grundstücksfläche umher und sind die ganze Freude der Familie, weil im Stall nahezu jeden Tag frische Eier zu finden sind. Und weil Tiere und Pflanzen für „Abfall“ sorgen, wird auch der Komposthaufen immer größer.

Genau der ist nun der Stein des Anstoßes, weil sich die Nachbarn linkerhand massiv gestört fühlen. Mehr als 20 Jahren landete der Bioabfall in diesem Wohnviertel nämlich in der brauen Tonne und genau so lange störte auch kein Hahn die Tages- und Nachtruhe. So ein Kompost-Geruch kannte niemand – und will niemand. Und dagegen muss nun vorgegangen werden. Erst recht, da alle ernsthaften und durchaus lauteren Gesprächsversuche scheiterten.

Was folgt ist dann meistens der Gang zur Schiedsstelle in Burg, die mit Karl-Heinz Summa, Wolfgang Meyer und Gerlinde Giese besetzt ist.

Solche Streitigkeiten, wie Gerüche von einem Komposthaufen, kennt Summa aus seiner jahrelangen Erfahrung zur Genüge. Auch Taubenschläge, Klär-Sammelgruben, Lärm oder Grundstücksprobleme gehören zum großen Spektrum, die aus Freunden zuweilen auch Feinde werden lassen. „Insgesamt gesehen hat die Streitlust zugenommen. Auch der Tonfall, wie manche Parteien miteinander umgehen, ist rüder geworden als noch vor Jahren“, sagt Summa. Wolfgang Meyer bestätigt: „Verhandeln heißt ja, dass beide Parteien von ihrer Position etwas abrücken müssen. Das wird zunehmend schwieriger.“ Die Zeiten, wo das eine oder andere Problem noch mit einer Flasche Bier gelöst wurde, seien leider vorbei. „Oftmals wird gleich die große Keule herausgeholt“, so Summa.

Schon deshalb musste das Schiedsstellen-Trio im vergangenen Jahr insgesamt 21 Streit-Gespräche führen. Davon mündeten 15 in so genannte Tür- und Angelgespräche, bei denen den Beschwerdeführern unter anderem Möglichkeiten aufgezeigt wurden, wie sie Nachbarschaftsprobleme auch ohne ein Schiedsverfahren lösen können. „Solche Unterreden sind oftmals sehr hilfreich und können auch den ersten großen Ärger etwas mildern“, so Summa.

Obwohl noch so viel Zeit und Einfühlungsvermögen dafür investiert wird – es gelingt nicht immer, eine Einigung zu erzielen. Manche Fronten bleiben verhärtet. Wie in sechs Fällen. Sie zogen ein ordentliches Schiedsverfahren nach sich. Dreimal endete es 2019 mit Erfolg. Das heißt, die Streit-Parteien akzeptierten mit ihrer Unterschrift das Ergebnis der Schlichtung. „In den drei anderen Fällen wurde der Schlichtungsvorschlag leider nicht akzeptiert.“ Möglicherweise ist dann der weitere Rechtsweg eingeschlagen worden. „Wir schöpfen zwar alle Mittel aus und schauen uns gegebenenfalls auch die Situationen vor Ort an, wenn es beispielsweise um Hecken oder Zäune geht, stoßen aber manchmal auch nach etlichen Gesprächen und rechtlichen Hinweisen auf taube Ohren“, resümiert Summa. Er verweist nicht von ungefähr auf das Nachbarrecht in Sachsen-Anhalt, das viele Besonderheiten aufschlussreich regelt, um Gerichtsverfahren zu vermeiden. Oberstes Ziel ist es, vor einer Zivilklage eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.

Deshalb ist seit Juli 2001 in Sachsen-Anhalt die Klageerhebung vor Gericht in nachbarschaftlichen Streitigkeiten nur noch zulässig, nachdem von einer Schiedsstelle, einem Rechtsanwalt oder Notar versucht worden ist, die Auseinandersetzung beizulegen. Für Summa und sein Team steht indessen fest: „Gegenseitige Rücksichtnahme ist und bleibt die beste Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben.“

Wie ist der Fall mit dem Komposthaufen nun ausgegangen? Die jungen Neu-Bürger im Dorf haben die Nachbarn zu beiden Seiten tatsächlich zu einem Gespräch eingeladen. Der Austausch, bei dem alle ihren Frust von der Seele geredet haben, hat gewirkt. Der Komposthaufen mit dem Hühnermist wurde auf dem mehr als 1000 Quadratmeter großen Grundstück verlagert. Und nach dem letzten Grillabend passen die älteren Nachbarn sogar auf die Kinder der jüngeren Hausbesitzer auf. Mehr Miteinander geht fast nicht.