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Schule Holocaust-Zeitzeugin in Gommern

Zeitzeugin Batsheva Dagan berichtet Gommeraner Schülern von den Gräueltaten an Juden in Nazi-Deutschland.

Von Thomas Schäfer 16.10.2017, 23:01

Gommern l „Fragt heute - denn das Heute ist das Gestern von morgen. Fragt heute - denn heute gibt es noch Zeugen. Fragt heute - denn morgen wird es nur noch Literatur sein oder Auslegung“, zitiert Batsheva Dagan aus einem Gedicht ihres Buches „Gesegnet sei die Phantasie - verflucht sei sie!“ zur Eröffnung des Zeitzeugengesprächs im Volkshaus Gommern.

Die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt konnte die bereits 92 Jahre alte Dame mit der jungen Seele, wie Batsheva Dagan sich selbst gern bezeichnet, gewinnen, den Zwölftklässlern der Europaschule Gymnasium Gommern ihre Erlebnisse zur Zeit Nazi-Deutschlands zu schildern.

Eindringlich war es, bedrückend, verstörend. Kein Geschichtsbuch und kein Lehrer können so nachdrücklich von den Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs berichten und davor warnen, wie jene, die es selbst erlebt haben. Batsheva Dagan hat es erlebt. „Ich war damals etwa in eurem Alter“, sagt sie. „Und ich war in der Hölle!“

Batsheva Dagan, Jahrgang 1925, stammt aus einer polnisch-jüdischen Familie, sie war das achte von neun Geschwistern, die Familie lebte in Lodz. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde die Familie 1941 in das örtliche Ghetto umgesiedelt. Sie schaffte es nach Deutschland zu fliehen, wurde dann doch verhaftet und kam ins Vernichtungslager Auschwitz. Auf einem der Todesmärsche gelangte Batsheva Dagan am Ende des Krieges, 19-jährig, nach fünf Jahren Ghetto und Lagerhaft zurück nach Deutschland, wo sie befreit wurde.

Sie ging nach Israel und begann dort ein neues Leben. Sie wurde Psychologin, Erzieherin und Dozentin in der Lehrerausbildung. Batsheva Dagan steuerte zahlreiche erfolgreiche Gedichte und Bücher zur Erinnerungskultur bei.

„Was ich euch heute mitteile, ist schwer für mich. Und es ist auch schwer für euch“, sagt sie an die Schüler gerichtet. „Ich bin Jüdin, ich war auf der Seite der Opfer. Ihr seid Deutsche. Ihr seid die Kinder der Verbrecher - in dritter, vierter Generation.“ Harte Worte, die ihre Wirkung nicht verfehlen. Mucksmäuschenstill ist es im Auditorium. Die Schüler hängen an den Lippen der Holocaust-Überlebenden, die extra aus Israel angereist ist, um in Deutschland die Erinnerung wach zu halten.

Sie erzählt den Schülern von ihrer Familie, von ihrem Schicksal als Juden, von den Repressalien schon vor und nach Ausbruch des Krieges, von der Übersiedlung in das Lodzer Ghetto, von der Festnahme und Überführung ihrer Eltern ins KZ, zeigt Fotos ihrer Geschwister und berichtet davon, wie sie zu Tode gekommen sind: erschossen, vergast, verhungert.

Batsheva Dagans Besuch am EGG und ihr Zeitzeugenbericht war ein eindringlicher Appell wider das Vergessen. Eine Geschichtsstunde, die den Schülern hoffentlich unvergesslich bleiben wird.